Totenzimmer: Thriller (German Edition)
Lächeln. Ich lief schnell zu ihr, und gemeinsam verschwanden wir in einem Behandlungszimmer, in dem Anne auf einem Stuhl vor einem Computer saß. Nkem stellte uns einander vor und wir reichten und höflich die Hände, bevor ich auf einem Stuhl neben Anne Platz nahm. Nkem setzte sich auf die Untersuchungsliege.
»Sie waren alle drei in der Notaufnahme, jeweils zwei bis drei Wochen vor ihrem Verschwinden. Der Täter kann also wirklich hier auf sie aufmerksam geworden sein.« Nkem flüsterte. Ich tat es ihr gleich: »Damit hatte ich schon gerechnet, es muss aber jemand sein, der Zugang zu den Krankenakten hier im Haus hat.« Ich wandte mich an Anne. »Auf wen trifft das zu?«
»Alle Schwestern, Pfleger und Ärzte, die hier arbeiten, haben das. Darüber hinaus aber auch viele in anderen Abteilungen. Die Patienten wechseln ja oft von einer Station auf die andere. Wer alles über Zugangsdaten verfügt, kann ich aber wirklich nicht sagen. Die Psychologen könnt ihr aber ausschließen, die haben keinen Zugriff.«
»Okay, welche Personalgruppe hat ebenfalls keinen Zugang? Wie ist das mit den Hilfskräften, den Krankenträgern und so?«
»Nein«, sagte sie mit einem Grinsen. »Die haben keinen Zugriff, auch wenn einige von denen das sehr bedauern. Besonders ein kleiner Dicker interessiert sich sehr für gewisse Damen und will immer ihre Adressen haben.«
»Die kriegt er aber nicht?«
»Nein, die kriegt er nicht«, sagte sie mit Nachdruck.
»Wie kompliziert wäre es für andere, sich die Zugangsdaten für das System zu beschaffen?«, fragte ich. Sie sah mich verblüfft an, so dass ich meine Frage noch etwas präzisierte: »Ich meine, stell dir vor, du hast Nachtdienst und sitzt gerade an deinem Computer, um dich einzuloggen. Wie ist das, wenn dann jemand mit einer Tasse Kaffee kommt und sich neben dich setzt, um ein Schwätzchen zu halten?« Ich hatte vor ewigen Zeiten auch einmal in einer Notaufnahme gearbeitet und konnte mir diese Situation sehr gut vorstellen. In meiner Erinnerung hatte es da nicht so viele Geheimnisse gegeben.«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht«, sagte sie langsam.
»Würdest du denn zögern, dich einzuloggen, wenn jemand neben dir säße? Zum Beispiel ein Krankenträger?«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das würde ich nicht«, sagte sie ebenso langsam. »Ich würde gar nicht auf den Gedanken kommen. Das heißt … jetzt schon, jetzt würde ich zögern.« Sie machte eine Pause und sah mich direkt an. »Ich habe bis jetzt wirklich nie daran gedacht.«
»Dann wäre das also möglich?«
Sie nickte. »Ja, das wäre es durchaus.« Sie machte eine Pause, ehe sie fortfuhr: »Und jetzt, da du das sagst – ich logge mich eigentlich ziemlich häufig ein und bleibe dann nicht immer am Computer, du weißt ja, wie das hier zugeht, man muss immer hektisch vom einen Ort zum anderen, mal in dieses Zimmer, mal in jenes … Manchmal nutze ich auch andere Computer mit dem Login der entsprechenden Kollegen. Wir rennen ja alle immer nur hin und her. Mein Gott, so habe ich das noch nie gesehen.«
»Es gibt hier einen Larry Tang Mortensen«, fuhr ich fort. »Sagt der Name dir etwas?«
Sie nickte. »Ein Krankenträger. Ein sehr stiller Typ. Spricht nicht viel. Mit dem habe ich aber definitiv niemals Kaffee getrunken, das kann ich dir gleich sagen.«
»Wie ist er sonst so?«
»Hm, wie soll ich das sagen? Ziemlich unangenehm!« Sie lachte und zuckte dann mit den Schultern. »Er ist etwa Ende zwanzig und hat reichlich Übergewicht. Würde man sein Body Age ausrechnen, läge das bestimmt irgendwo bei fünfundsiebzig. Du weißt schon, immer kurzatmig und schweißgebadet. Seine einzige Bewegung besteht sicher darin, gaaanz langsam hier über die Flure zu schleichen und irgendwelche Betten zu schieben. Aber selbst davon gerät er schon ganz außer Atem. Und ständig krank ist er auch: Hat eine Latex-Allergie und eine höchst merkwürdige Krankheit, irgend so ein deutsch klingendes Syndrom, das einem gelbe Augen macht … wie … heißt das noch mal? Er sieht jedenfalls aus, als hätte er eine Leberentzündung. Aber ich glaube, das ist das Einzige, worüber ich jemals mit ihm gesprochen habe. Wie hieß diese Krankheit noch, irgendetwas mit M?«
»Du meinst bestimmt Morbus Meulengracht, nicht wahr?«
»Genau, das ist es. Er sagt, es sei vollkommen harmlos, aber er bekommt ebendiese gelben Augen davon. Oft krank ist er trotzdem. Immer irgendetwas mit dem Magen.«
Schwerwiegende Magenkrankheiten, in
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