Toter Mann
die Fähre als ein Taxi. Er brauchte dringend frischen Wind um die Nase.
An Deck atmete er die salzige Luft in tiefen Zügen ein. Er war allein. Einige Jugendliche waren in den Salon gegangen und hatten sich gesetzt. Er sah, wie Bierdosen gehoben wurden, hörte Gelächter. Freitagabend auf See.
Als die Fähre bei Klippan anlegte, sah er die Lichter vom Sjömagasinet. Es war lange her, seit er zuletzt dort gewesen war. Wenn alles vorbei war, würde er mit seiner Familie ins Sjömagasinet gehen und den Rest der Welt vergessen.
Sein Handy klingelte. Winter sah auf seine Armbanduhr. Halb elf. Die Nummer auf dem Display war ihm unbekannt. Die Stimme erkannte er sofort.
»Was hast du getan?!«
»Was ist los, Lotta?«
»Hast du wieder mit Benny geredet? Du hast mir versprochen, es nicht zu tun!«
»Wo bist du, Lotta?«
»Ich bin bei einer Freundin. Glaubst du etwa, ich kann jetzt in meinem Haus bleiben?« »Was ist passiert?«
»Benny hat angerufen. Benny >Mafiaboss< Vennerhag.« »Was wollte er?«
»Was er wollte? Was spielt das für eine Rolle?« »Hat er dich bedroht?«
»Dass er mich anruft, ist Bedrohung genug. Herr im Himmel, Erik, ich hatte gehofft, seine Stimme nie wieder zu hören. Verstehst du! Jetzt ist alles kaputt.«
»Was ist kaputt?«
Sie antwortete nicht. Er hörte sie atmen. Langsam beruhigte sie sich.
»Was hat er gesagt?«
»Dass er >nur drei Worte< sagen will. Weißt du, welche?« »Du brauchst sie nicht zu wiederholen.«
»Er hat geglaubt, dass du mit mir über ihn geredet hast. Er war ganz sicher. Was hast du ihm versprochen, Erik?« »Nichts, absolut nichts.«
»Hast du mit ihm über mich gesprochen?«
»Ja ...«
»Du bist nicht besser als die!« Lotta warf den Hörer auf.
VIERTER TEIL
38
Der Samstagmorgen war klar. Angela hatte das Schlafzimmerfenster geöffnet, bevor sie zu den Kindern ging und Frühstück machte. Winter nahm die frische Luft der Innenstadt wahr. Es war nicht die frische Luft des Meeres, aber es war seine Luft. Er dachte an das Meer. Plötzlich war es ein erschreckender Gedanke.
»Du bist also wach?«
Er richtete sich auf. Angela kam mit einem Tablett herein. Er war es nicht wert.
»Papa, Papa!«, rief Lilly und sprang in sein Bett. Elsa setzte sich auf die Bettkante. So kindisch war sie nicht mehr. Angela stellte das Tablett auf dem Fußboden ab. Er roch Kaffee und frische Croissants.
»Elsa ist mit dem Lift zur Bäckerei runtergefahren«, sagte Angela.
»Nein, wirklich!« Winter zupfte ein Stück von seinem Croissant ab. »Das hast du aber gut gemacht, Elsa.« Er sog das Aroma ein. »Wunderbar, etwas Frisches zum Frühstück zu kriegen.«
Seine Tochter sah stolz aus, doch so großartig war die Tat nun auch wieder nicht. Sie konnte schon lange allein mit dem Lift hinunterfahren und einkaufen gehen. Hätte Lilly das getan, wäre es beeindruckender gewesen.
»Frühstück im Bett«, sagte Winter.
»Du bist spät nach Hause gekommen«, sagte Angela. Plötzlich sah er Angst in Elsas Augen. Sie schaute zu Angela: Warum hast du das gesagt? Er kann böse werden, wenn du so was sagst. »Ich hab nicht auf die Uhr geschaut«, antwortete er beiläufig. »Deshalb brauchst du jetzt ein Frühstück im Bett.« Angela lächelte. Elsa lächelte. Lilly hüpfte auf den Fußboden und rannte aus dem Schlafzimmer.
»Ich hab den Saft vergessen«, sagte Angela. »Kannst du bitte ein Glas holen, Elsa? Der Saft steht auf der Anrichte.« Elsa ließ sich vom Bett rutschen.
»Nicht nötig«, sagte Winter.
In der Küche krachte es. Zum Glück hörte es sich nicht so an, als sei Glas zersplittert.
»Ich guck nach, was die Kleine angestellt hat«, sagte Elsa. Sie hörten einen Schrei.
Elsa lief auf lautlosen nackten Füßen hinaus. Angela hatte die Vorhänge ein wenig beiseitegeschoben. Der Fußboden leuchtete bernsteinfarben im Sonnenlicht.
»Ich habe ihn nicht gefunden«, sagte Winter. »Vielleicht ist er jetzt zu Hause.«
»Wo zu Hause?«
»Ich weiß es nicht. Trink deinen Kaffee, bevor er kalt wird.« »Ich bin nicht rauf in die Wohnung in Eriksberg gegangen.« Er hob die Porzellantasse. »Vielleicht hätte ich es tun sollen.« »Was ist dann passiert?«
Aus der Küche hörten sie Elsas tröstende Stimme. Sie hörten Lilly etwas sagen. Ein Lachen. Es war keine Katastrophe eingetreten.
»Ich habe einen gefährlichen Mann getroffen.« »Gefährlich? Für wen? Für dich?«
»Er kann jedem gefährlich werden.«
Er erzählte von seiner Begegnung mit Lejon.
»Ist er in den
Weitere Kostenlose Bücher