Toter Mann
nicht.«
»O doch. So viel hab ich von dem Job der Kripo begriffen. Man haut nicht einfach ab. Es kann ja was passieren.« »Was denn? Antworten Sie auf meine Fragen.« »Ich will keine Fragen mehr beantworten.« »Trauen Sie sich nicht?«
»Ich möchte, dass Sie jetzt gehen. Sie sollten jetzt gehen.« Edwards warf wieder einen Blick in den Garten.
Bergenhem durchquerte das Zimmer und öffnete die Balkontür.
»Gehen Sie nicht raus«, sagte Edwards.
Ohne ein Wort zu sagen, machte Bergenhem einen Schritt auf die kleine Rasenfläche.
Den Schlag sah er nicht. Alles wurde rot. Dann schwarz.
Winter betrat die Lobbybar . Sie war in Rot und Schwarz gehalten, Leder oder Galon. Rot und schwarz war keine milde Farbkombination. Das Quality Hotel 11 hatte an diesem Abend viele Gäste, jedenfalls nach dem Gedränge in der Bar zu urteilen.
Winter ging zur Theke und musste sich in einer kleinen Schlange anstellen. Als er an der Reihe war, bestellte er ein Staropramen vom Fass. Er hatte Durst. Er bekam sein Glas Bier und bezahlte. Als er sich umdrehte, sah er Christian Lejon an einem Tisch links vom Eingang sitzen, bei den Fenstern, die auf einen Atriumhof gingen. Lejon lächelte und hob sein Glas. Ein Martiniglas. Winter erwiderte die Geste nicht. Er kehrte an die Theke zurück und trank sein Bier. Um ihn herum Stimmen, Lachen, ein Fluch. Die Leute wurden langsam betrunken. Hier wurde den Leuten vielleicht der Lohn immer vor dem Wochenende ausgezahlt. Es war Freitagabend. Für eine Weile waren sie von der Tretmühle befreit. Was konnten sie anderes tun, als zu saufen und zu vergessen. Auf den Putz hauen. Er stand mitten unter ihnen. Eine Frau sah ihn an und lächelte. Er lächelte nicht zurück. Sie wandte sich zu einer anderen Frau um und flüsterte ihr etwas zu. Beide lächelten. Winter drehte sich zur anderen Seite. Bald gab es keine Richtungen mehr, in die er sich drehen konnte.
Der Barkeeper beugte sich vor und sagte etwas.
»Was?« Winter hielt ihm sein Ohr hin. »Was haben Sie gesagt?«
»Mister Lejon would like you to join him at his table«, sagte der Barkeeper. Er sprach wie ein Ire. In den Bars und Pubs in Göteborg arbeiteten viele Iren. Dieser sah auch aus wie ein Ire, dunkel, eckig, bläuliche Haut, die nie der Sonne ausgesetzt worden war.
Der Barkeeper wies diskret mit dem Kopf zum Tisch des Gangsters. Dem Stammtisch. Winter drehte sich um. Lejon nickte freundlich, dieses Mal, ohne sein Glas zu heben. Alle Tische in der Bar waren besetzt, aber Lejon saß allein an seinem, an dem drei leere Stühle standen.
»Tell him I've got other things to do«, sagte Winter und drehte sich wieder zur Theke um.
Der Barkeeper warf einen Blick auf sein Glas. Es war noch so gut wie voll. Der Gast wollte allein trinken. Das war okay. Aber Mister Lejon würde es nicht gefallen.
»1 would advise you to accept his invitation«, sagte der Barkeeper.
»And if I don't? Will he kill me?«
»Probably.« Der Barkeeper lächelte. Er hatte gute Zähne. In der irischen Republik war der Lebensstandard gestiegen. »Shall 1 get you anything else?«
»No«, sagte Winter. »1 brought my own gun.«
Er nahm sein Bierglas und schlängelte sich durch die Menge auf Lejons Tisch zu. Es schwappte fast nichts heraus. Lejon hatte sich erhoben und erwartete ihn. Er zeigte auf einen freien Stuhl, der schwarzrot und aus Leder war, nicht aus Galon. Schwerer zu pflegen, aber hübscher. Die Stühle wirkten neu. Die ganze Bar schien neu zu sem.
Lejon streckte die Hand aus. Winter drückte sie, fast wie im Reflex. Lejons Hand war warm und hart. Er wirkte kein bisschen nervös.
»Sie hätten Ihr Glas nicht selber tragen müssen«, sagte er. »Ich bin es gewohnt, ohne Diener klarzukommen«, sagte Winter.
Lejon lächelte. »Ich frage mich, warum wir uns noch nie begegnet sind«, sagte er.
»Meine Schuld ist es nicht«, sagte Winter.
»Daran ist niemand schuld«, sagte Lejon. »Es hat sich wohl einfach nicht ergeben.«
»Immerhin kennen Sie mich«, sagte Winter. »Wer tut das nicht? Sie sind berühmt.«
»Sie auch.«
»Das ist nichts im Vergleich zu Ihnen, Winter. Wenn Sie nicht eine reale Person wären, hätten Sie die Hauptrolle in einem Buch gespielt. Einem Roman, einem Krimi. So berühmt sind Sie.«
Apropos Bücher. Winter hob sein Bierglas und musterte Lejon über den Rand hinweg. Er hatte nicht beabsichtigt, ihn jetzt und unter diesen Umständen zu treffen. Oder hatte gerade diese Absicht seine Schritte hierhergelenkt? Er wusste nicht, ob
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