Toter Mann
hast bestimmt einen Plan für eine neue Geschäftsidee.«
Die Kopfschmerzen schlugen zu, als er die Tür hinter sich schloss. Plötzlich sahen die Ziegelwände im Korridor bedrohlich aus, als könnten sie ihm etwas antun. Er hatte die Wände noch nie gemocht und nie begriffen, warum sie so aussehen mussten. Was hatte sich der Architekt dabei gedacht? Verbarg sich dahinter eine Symbolik, die er nicht verstand?
Jetzt hielt er sich an der Wand fest. »Was ist, Erik?«
Er sah Aneta Djanalis Gesicht nur verschwommen vor sich.
Mit dem linken Auge konnte er nichts sehen, dort saß der Schmerz. Ihr Gesicht war fast nur ein Schatten.
Jetzt löste sich der Schmerz auf. »Schon gut, Aneta.«
»Gut? Ich sehe doch, dass es dir nicht gutgeht! Wie fühlst du dich?«
»Schon besser als vor einer Minute.«
Er massierte die Stelle über dem linken Auge. »Warum gehst du nicht zum Arzt?«
»Es ist wohl nur ... eine Migräne.«
»Hast du schon mal Migräne gehabt?« »Wann meinst du?«
»Als du jung warst, früher. Du verstehst ja wohl, was ich meine?« Ihre Stimme klang irritiert. So kannte Winter Aneta Djanali gar nicht.
»Ich weiß es nicht.« Er ließ die Hand sinken. »Was sagt Angela ?«
»Was soll sie sagen?«
Aneta Djanali seufzte.
»Im Sommer ist es immer schnell vorbeigegangen«, sagte Winter. »Das war nur eine kleine Attacke.« »Eine kleine Attacke?«
Er setzte sich in Bewegung. Sie blieb stehen.
Jetzt spürte er nichts mehr im Kopf. Eine kleine Attacke. Nicht der Rede wert. Warum sollte er einen Arzt aufsuchen? Er hatte einen zu Hause. Angela könnte ihm etwas verschreiben. Migräne konnte man in jedem Alter bekommen. Seine Mutter hatte auch Migräne gehabt.
Es beginnt mit einer Stecknadel und endet mit einer Silberschale. Hieß die Redensart so? Seine Mutter pflegte das zu sagen. Lejon erinnerte sich an die Küche in Kungsladugård und an seinen Vater, wie er dort abends nach der Arbeit gesessen hatte. Manchmal waren sie ihm bis Klippan entgegengegangen. Wenn die Fähre mit all den Werftarbeitern von Eriksberg auf dem Heimweg war. Er hatte angefangen zu winken, lange bevor die Fähre auf der anderen Seite ablegte. Seine Mutter hatte gelacht. An dem Abend hatte er natürlich auch gewinkt. Er hatte einem toten Vater zugewinkt. Der Vater war nicht an Bord gewesen. Alle waren an Land gegangen, und er und seine Mutter hatten lange gewartet, bis die Fähre wieder ablegte. Als ob der Vater von der anderen Seite zu Fuß über das Wasser kommen würde. Die Mutter hatte jemanden gefragt, die Antwort aber nicht verstanden. Damals gab es noch keine Handys. Sie hatten nicht einmal ein Telefon besessen. Sie mussten warten, bis jemand zu ihnen kam, nach Hause in die Stilla gatan. Er erinnerte sich an die Stille, die danach herrschte. Sie würde nie vergehen. Er trug sie noch heute im Kopf mit sich herum. Darinnen war es immer still, der Stille entkam er nicht. Nicht einmal, wenn er sich mit Geräuschen umgab, lauten Geräuschen. Er war danach ans Meer geflohen, oder so nah ans Meer, wie er ihm kommen konnte. Dort herrschte eine Stille, der er nicht entfliehen musste. Stundenlang konnte er dem Meer lauschen. Darin lebte er. Darin sah erden Tod.
Bergenhem klopfte an die Tür und trat ein. Winter sah von seinem Laptop auf. Er suchte nach Waffen, die massenhaft im Umlauf waren. Mit all diesen neuen Waffen, die wie das Meer oder der Fluss hereinströmten, könnten sie einen neuen Berg in Göteborg bauen. Neue Klippen, neue Klüfte. Schluchten. Der Panasonic spielte das Lars Jansson Trio, »The Sky Is There«. Der Himmel vor dem Fenster war noch da. Die Sonne war jetzt hinter den Häusern verschwunden, auf dem Weg hinab ins Meer. Winter hatte sie hinter der gezackten Horizontlinie versinken sehen, die die Gebäude der Stadt bildeten. Er hatte keine Schmerzen. Alles war still. In diesem Augenblick, dieser Minute sehnte er sich an keinen anderen Ort.
»Hast du eine Minute Zeit?«, fragte Bergenhem.
»Klar.« Winter klappte den Laptopdeckel zu. »Setz dich.« Bergenhem nahm Platz und lächelte kurz, als würde das Lächeln nur vorbeifliegen. Seine Augen erreichte es nicht. Sie lächelten schon lange nicht mehr. Winter hatte es bemerkt. Lars bewegte sich wie unter einer schwarzen Wolke. Seit Winter ihn kannte, war die Wolke hin und wieder aufgetaucht, aber in der letzten Zeit war sie größer geworden und blieb über eine längere Zeitspanne. »Kann ich dir helfen, Lars?«
Bergenhem schaute ihn an. Die schwarze Wolke hing
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