Toter Mann
also kaum vorangekommen mit dem Buch?« »So ist es.«
»Wird es eine reine Dokumentation?« »Was ist das?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Winter.
»Wenn Sie meinen, dass es auf Tatsachen aufbauen soll, handelt es sich wohl um eine Dokumentation. Aber es gibt ja nicht viele Fakten. Deshalb denke ich immer noch darüber nach, ob es nicht doch ein Roman werden soll.«
»Ich verstehe«, sagte Winter. »Na fein.«
»Haben Sie selbst eine Verbindung zu diesem Sommerlager?«, fragte Winter. »Oder zu Brännö?« »Sie meinen persönlich? Nein ...«
»Warum beschäftigen Sie sich dann damit?« Ademar antwortete nicht.
»Haben Sie schon die Polizeiermittlung eingesehen?«, fragte Winter.
»Nein, noch nicht.«
»Ich könnte mal einen Blick reinwerfen«, sagte Winter. »Wenn es eine gibt.«
»Warum sollten Sie das tun? Dafür haben Sie bestimmt keine Zeit, oder? Sie ermitteln doch in einem Mordfal!.«
»Ich werde es vielleicht nicht gleich tun. Aber ... ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, warum es mich interessiert.«
Da war etwas. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er sich dafür interessieren sollte, für das Verschwinden dieses Mädchens. Eine Ahnung. Vielleicht war es die sogenannte Intuition, die man nicht erklären konnte, weder rational noch logisch. Sie war vielleicht eher eine Fiktion und ließ sich nicht dokumentieren.
»Aber eine Verbindung besteht da schon ...«, sagte Ademar nach einer langen Pause.
»Ja?«
»Beatrice war meine Schwester.«
Halders und Aneta Djanali gingen einander aus dem Weg, bis es sich nicht mehr vermeiden ließ. Und es ließ sich nicht mehr vermeiden, als sie in Anetas Auto auf dem Weg zu Sellbergs Haus saßen. Sie passierten eine Kreuzung, von der eine Straße zu Halders' Haus führte. Halders' und Djanalis Haus, so hatte er es in den vergangenen Jahren empfunden. Wie viele Jahre hatten sie dort zusammen gewohnt? Drei? Vier? Er konnte sich nicht erinnern. Er wollte es nicht.
»Was ist eigentlich los?«, fragte er. Sie schwieg.
»Ich will eine Antwort.« »Ich weiß es nicht, Fredrik.« »Das reicht nicht.«
»Was soll ich denn sagen?«
»Zum Teufel noch mal, irgendetwas!!«
Die Vehemenz in seiner Stimme ließ sie zusammenzucken. Sie merkte, dass sie einen Schlenker fuhr, und packte das Steuer fester.
»Beruhige dich, Fredrik.«
»Denkst du, das ist nur ein blödes Spiel?« »Warum sollte ich das glauben?«
»Wenn du ausziehen willst, dann sei wenigstens so anständig und rede mit mir! Und zieh endlich aus. Es ist unmöglich, sich abends ohne ein Wort wegzuschleichen.«
Sie blieb stumm.
»Was meinst du, was Hannes und Magda sagen? Was? Wie sie das finden?«
»Daran ... denke ich ständig, Fredrik.«
»Ach ja? Davon hab ich bisher nichts gemerkt.« »Gib mir noch ein bisschen Zeit«, sagte sie.
»Wozu? Dazu habe ich nicht die Geduld. Ich hasse Geduld. Du kennst mich. Nein, du kennst mich nicht. Das hab ich mir bloß eingebildet, haben wir uns beide eingebildet. Halt an!«
»Was?«
»Halt an!«
Sie bremste und hielt am Straßenrand, direkt vor einem Spielplatz. Drei kleine Kinder schaukelten. Das Lachen drang zu ihnen ins Auto. Halders öffnete die Tür, stieg aus, schlug sie hinter sich zu und ging ohne ein Wort davon. Er drehte sich nicht um. Es ist unmöglich, einfach davonzugehen, dachte sie.
Winter fuhr den Långedragsvägen an der Hagenschule vorbei, bog nach rechts in die Krokebacksgatan ein und links in die Ful1riggaregatan. Es waren die Straßen seiner Kindheit. Er hatte eine gute Kindheit, einen guten Start ins Leben gehabt, war von niemandem in seiner Familie vergewaltigt worden. Er parkte den Mercedes vor dem Elternhaus, in dem seine große Schwester Lotta mit ihren beiden Töchtern immer noch wohnte. Bim war inzwischen auf dem Weg hinaus in ihr eigenes Leben.
Als er die Pforte öffnete, fragte er sich, warum die Abstände zwischen den Besuchen so groß waren. Er mochte Lotta. Er mochte ihre Töchter. Das Haus hatte er nicht so gern, er wusste nicht, warum. Es war ein normales verputztes Einfamilienhaus, das Bengt und Siv gekauft hatten, als sie es sich leisten konnten und beschlossen, aus Kortedala weg und näher ans Meer zu ziehen. Zum Meer war es nicht weit. Als Kind und Jugendlicher hatte Winter seine Nähe zu schätzen gewusst. Familie Winter hatte ein Häuschen in den Schären gemietet und ein Segelboot gehabt, aber ihn hatte das Segeln nicht so sehr fasziniert, dass er sich selbst ein Boot angeschafft hatte. Eigentlich sonderbar, er
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