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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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wiederholte
    Winter.
    »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Diese Woche? Vergangene Woche? Im letzten Monat?« »Im letztenJahr«, antwortete sie.

 19
    Bergenhem ging über den Platz zurück. Den König konnte er nicht mehr sehen. Er war von seinem Sockel heruntergestiegen und in eins der Cafes gegangen, die es entlang der Hafenstraßen gab. Als der König das erste Mal in die Stadt gekommen war, hatte es noch nicht so viele Cafes gegeben. Sie mussten einen großen Reiz auf ihn ausüben, wie er da so auf dem Sockel stand. Bergenhem versuchte, sich den König an einem der Tische vorzustellen, aber es gelang ihm nicht. Als er wieder hinschaute, stand der König da, wo er hingehörte. Er zeigte in Bergenhems Richtung, als wollte er ihm den Weg weisen. Bergenhem versuchte, sich seine eigene Zukunft vorzustellen, doch auch das misslang. Er ging die Norra Hamngatan entlang, über die Brücke, an der Fischerkneipe und weiter an der Residenz des Regierungspräsidenten vorbei in Richtung Fluss. Er überquerte die Oskarsumgehung, die seit dem Bau des Götatunnels im Vergleich zu früher nur noch ein Schatten ihrer selbst war. Plötzlich war es hier still geworden. Plötzlich war der Verkehr weg, und die Anlieger konnten ihre Gasmasken abnehmen. Bergenhem folgte dem Fluss in westlicher Richtung nach Rosenlund. Aus seiner Perspektive hatte das Wasser dieselbe Farbe wie der Himmel. Es war unmöglich auszumachen, wo das eine begann und das andere aufhörte. Die Fähre wartete auf ihn, kaum war er an Bord, legte sie ab. Er blieb an Deck zusammen mit einem Mädchen, das ein Fahrrad bei sich hatte. Sie sah aus wie eine
    Studentin und konnte kaum älter sein als zwanzig, einundzwanzig. Sie hat noch das ganze Leben vor sich, dachte er. Hoffentlich glaubt sie daran. Ich habe daran geglaubt, damals. Als ich einundzwanzig war, hoffte ich, jemandem zu begegnen, mit dem ich zusammenleben wollte, und ich traf jemanden, nur wenige Zeit später. Und jetzt stehe ich hier und glaube nicht mehr daran. Vielleicht habe ich nie daran geglaubt. Er sah den Dockpiren auftauchen, als wäre er auf dem Weg zur Fähre und nicht umgekehrt. Eine Sekunde lang glaubte er, sie würden den Steinpier rammen, aber die Fähre drosselte die Geschwindigkeit und glitt auf den Anleger zu. Das Mädchen schob ihr Fahrrad hinüber, stieg auf und fuhr in Richtung Sannegårdshafen davon. War es Halders gewesen, der gesagt hatte, er wollte im nächsten Leben als Damensattel auf die Welt kommen? Das musste er gewesen sein, vor langer Zeit. Jetzt sagte er solche idiotischen Sachen nicht mehr. Man vermisste es fast. Er wurde älter, sie wurden alle älter. Müder vielleicht. Weniger verzweifelt. You're losing all your highs and lows, ain't funny how the feeling goes, das war Desperado von den Eagles, Musik der Westküste. Bergenhem überquerte den Eriksbergstorget und ging weiter auf dem Maskinkajen entlang. Die Bebauung hörte auf, aber bald würden sie weiterbauen, vor ihm waren sie schon in rasantem Tempo. dabei. Er sah die Älvsborgsbrücke, die sich über Färjenäs auftürmte. Die Brücke wirkte mächtig im Sonnenlicht und aufgrund der Reflexion des Wassers, sie schien geradewegs auf dem Weg in den Himmel zu sein. Bergenhem betrat das Sushi und setzte sich an einen Tisch. Er war allein in dem Lokal. Eine Frau mit orientalischem Aussehen brachte ihm die Speisekarte. Bergenhem machte eine abwehrende Handbewegung: Ich warte auf jemanden.
    Marie Sellberg wollte die Leiche ihres Bruders nicht sehen. Sie glaubte Winter. Er sah keine Tränen. Das musste nichts zu bedeuten haben.
    »Vielleicht hatte er Feinde«, sagte sie. »Das wird es wohl gewesen sein.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Er war ein aggressiver Mensch.«
    »Auf welche Art aggressiv?«
    »Tja ... er flippte sehr schnell aus. Von null auf hundert achtzig, wie man so schön sagt. Er hatte keine Selbstkontrolle.« »Wissen Sie, mit wem er sich angelegt hat?«
    Sie lachte kurz und heftig auf.
    »Das waren viele im Lauf der Jahre.« »Und in der letzten Zeit?«
    »Das weiß ich nicht. Ich habe Bengt ja schon seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen.«
    »Warum war er wütend?« »Ich bin keine Psychologin.«
    »Aber Sie werden sich doch Gedanken darüber gemacht haben.« »Vermutlich hängt es mit unserer Kindheit zusammen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie war nicht schön.«
    Winter schwieg. Er wartete, dass sie weiterreden würde. Draußen hörte er das Geknatter eines Hubschraubers. »Unser Vater hat uns

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