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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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geschlagen.«
    Winter nickte.
    »Und unsere Mutter hat nichts dagegen unternommen.« Marie Sellberg sah Winter an. Bis jetzt hatte sie aus dem Fenster geschaut, in den blauen Himmel, den Sonnenschein, hatte all das Schöne dort draußen betrachtet. »Sie hat sich wahrscheinlich nicht getraut, hatte keine Kraft. Ich weiß es nicht. Das habe ich ihr nie verziehen. Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen all das erzähle.«
    »Weil ich Sie gefragt habe.«
    »Er hat sich ... an uns vergangen, unser Vater.« Winter nickte wieder.
    »Kommt Ihnen das bekannt vor?«, fragte sie. »Haben Sie so was schon öfter zu hören bekommen?«
    »Ja.«
    »Wir waren nur zu zweit, Bengt und ich, und wir waren noch so klein. Aber ... ich weiß nicht ... später konnten wir einander nicht beistehen. Es ging einfach nicht.«
    Winter sah den Schmerz in ihrem Gesicht, als sie das aussprach. Sie würde nie darüber hinwegkommen. Dagegen gab es keine medizinischen Präparate. Gespräche vielleicht. Aber sie halfen nur bis zu einer gewissen Grenze. Er sah die Grenzen, die sie wie ein Zaun umgaben. Sie selber hatte ihn errichtet, und das vermutlich schon in der Kindheit. Aber sie hatte keine kostbare Kindheit gehabt. Auch das war ihr anzusehen. Die Kindheit war ihr gestohlen worden, und wenn Winter manche der Verbrecher hasste, die er jagte, dann waren es diejenigen, die Kindheiten gestohlen hatten.
    »Was bedeuten Ihnen Ihre Eltern heute?«
    »Sie sind beide tot. Ich bin froh darüber. Das ist meine einzige Freude im Leben.«
    Der Hubschrauber kreiste immer noch über dem Zentrum von Göteborg. Winter wusste nicht, warum. Er ging allein unter den Bäumen des Polizeiparks spazieren. Sein Handy klingelte.
    »Ich bin jetzt angekommen«, sagte die Stimme am anderen Ende.
    »Das sind Sie wohl schon eine ganze Weile.« »Was wollen Sie?«
    »Sellberg ist erschossen worden, und Sie haben die Stadt verlassen.«
    »Habe ich Reiseverbot?«
    »Nein. Aber ich hatte Sie gebeten zu bleiben, falls wir noch Fragen an Sie haben.«
    »Die können Sie mir ja jetzt stellen.« »Wo sind Sie?«
    »Im Hotelzimmer.«
    »Ich rufe Sie in wenigen Minuten an. Welches Hotel, welches Zimmer?«
    »Hotel Stockholm, Zimmer 189.« »Okay.«
    »Trauen Sie mir nicht?«, fragte Ademar.
    »Ich will nicht mehr als nötig über das Handy telefonieren. Wegen der Strahlungsgefahr.«
    »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
    Aber Winter beendete das Gespräch, ohne zu antworten. Er kehrte ins Präsidium zurück und fuhr mit dem Lift nach oben. Er dachte an Marie Sellberg. Als sie sein Zimmer verließ, hatte sie wie der einsamste Mensch der Welt ausgesehen. Jetzt gab es nur noch sie. Sie empfand keine Freude über den gewaltsamen Tod des Bruders. Sie war eine würdige Vertreterin der Tragödie, die das Leben ist. Winter war traurig gewesen, nachdem sie gegangen war. Es war eine Empfindsamkeit, die mit den Jahren zunahm. Bald würde er vermutlich bei Verhören zu weinen anfangen. Die Leute, die er verhörte, würden ihn trösten müssen. Die Welt war zu schlecht. Ist die Menschheit es wert, gerettet zu werden? Soll ich weiterhin versuchen, sie zu retten? Dieselben Gedanken waren ihm vor einer Weile unter den einsamen Bäumen im Park durch den Kopf gegangen. Er hatte sie im Rauch seines Corps davonsegeln sehen. Der Zigarillo war jedenfalls etwas Verlässliches. Die Welt vergeht, der Corps besteht.
    Er wählte die Nummer von Ademars Hotel und wartete, während er zu seinem Zimmer durchgestellt wurde. »Ja?«
    »Kommen Sie mit Ihrem Buch voran?« »Wieso?«
    »Es interessiert mich.« »Warum?«
    »Ist das so merkwürdig? Es geht doch um ein altes, nie gelöstes Mysterium. Es war vor meiner Zeit, aber für die Polizei ist es immer unangenehm, wenn das Verschwinden eines Menschen nicht aufgeklärt wird.«
    »Ist das nicht die Regel?«, fragte Ademar.
    »Nein. Es kommt vor, aber die meisten melden sich früher oder später. Oder werden gefunden, auf andere Art.« »Vielleicht ist es gar kein Mysterium«, sagte Ademar. »Wie meinen Sie das?«
    »Vielleicht ist es ein Puzzle.«
    »Klingt interessant«, sagte Winter. »In solchen Bahnen denke ich auch manchmal. Wenn es sich um ein Puzzle handelt, muss man nur alle Teile finden.«
    »So einfach ist das nun auch wieder nicht.« »Versuchen Sie, die Puzzleteile zu finden?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Man weiß ja nie, ob alle Teile vorhanden sind.«
    »Wie viele haben Sie schon gefunden?« »Nicht sehr viele.«
    »Dann sind Sie

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