Totes Meer
Doch stattdessen erstarrte sie und starrte ungläubig auf die heranwogenden Leichen.
»Es sind so viele. Schau sie dir an.«
Sie klang nicht verängstigt, nur fassungslos.
Ich stieß sie an. »Lauf weiter, Tasha. Schau nicht mehr zurück. Lauf einfach.«
Drei verstümmelte Leichen sprangen aus den Büschen vor dem Sylvan Learning Center. Mitch gab drei Schüsse ab und legte sie um, bevor sie uns den Weg abschneiden konnten.
Drei weniger, dachte ich. Wie weit können wir es schaffen, bevor der Rest von ihnen uns erwischt?
Ich hatte noch vier Kugeln – eine für jeden von uns, falls es so weit kommen sollte.
Mitch sprintete in eine Gasse zwischen einem Reisebüro und einem Reformhaus.
»Hier lang«, rief er.
»Nein«, widersprach ich. »Wir müssen Richtung Hafen. Dieser Weg führt uns zurück ins Ghetto.«
»Ich hoffe, du hast Recht.« Er zögerte. »Ich werde uns ein wenig Rückendeckung verschaffen.«
Mitch änderte die Richtung und folgte uns als Nachhut. Seine schweren Bikerboots knallten auf das Pflaster, und seine Schritte gaben den Rhythmus vor für die Schüsse, die er über die Schulter abgab. Es war, als würde man ein Glas Wasser ins Meer schütten. Die Kreaturen setzten ihre Zeitlupenverfolgung fort.
Sie werden nicht müde, dachte ich . Wir haben einen Vorsprung, aber sie sind wie das verdammte Duracell-Häschen. Sie machen einfach immer weiter und weiter und weiter. Aber wir nicht. Früher oder später werden wir nicht weiterrennen können. Und dann werden sie uns einholen...
Malik und Tasha liefen an mir vorbei. Ich starrte auf ihre Hinterköpfe und verlagerte den Griff an meinem Gewehr. Könnte ich es tun? Wenn es darauf ankam, könnte ich sie erschießen, Mitch erschießen, mich selbst erschießen? Ich wusste es nicht. Und dann spielte es auch keine Rolle mehr.
Denn wir fanden Erlösung.
Wir bogen um eine Ecke. Das National Aquarium lag links von uns, Hard Rock Cafe und Barnes and Noble hinter uns. Vor uns, vertäut an der Hafenmauer,
lag die USCGC Spratling. Natürlich hatte ich das erwartet. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass das Schiff offenbar bereit zum Auslaufen war. Von unserem Standort aus schien es zumindest so. Die Lichter waren an, die Maschinen brummten, und es waren Leute an Bord – lebende Menschen, keine Zombies. Sie bewegten sich zu schnell, um Tote zu sein, und einige von ihnen hatten Waffen. Ein paar von ihnen lösten gerade die dicken Taue, mit denen das Schiff am Pier festgemacht war. Schwere Ketten rasselten, als der Anker langsam aus dem dunklen Wasser auftauchte. Ein Mann lehnte sich über die Reling, legte sein Gewehr an und erschoss einen Toten, der auf den Stufen zu Barnes and Noble stand.
»Heilige Scheiße«, keuchte Mitch. »Wir sind gerettet...«
Damit hatte er es ziemlich gut auf den Punkt gebracht.
Wir standen da, verschwitzt und keuchend, und für einen Moment vergaßen wir die Zombies und das Inferno hinter uns. Tasha begann zu weinen. Ich legte den Arm um sie, dann wurde mir bewusst, dass ich ebenfalls weinte.
»Sie legen ab«, schrie Mitch. »Los, kommt!«
Wir stolperten hinter ihm her, dicht gefolgt von den Toten und den Flammen, die alles fraßen, was ihnen in den Weg kam. Der Verwesungsgestank wurde schlimmer, was bedeutete, dass die Zombies langsam aufholten.
Mitch winkte wild mit den Armen, die Pistole immer noch in der Hand. »Hey! Ihr da drüben! Hey, ihr an Bord!«
Falls sie uns sahen, ließ die Mannschaft es sich nicht anmerken. Vielleicht hielten sie uns auf die Entfernung nur für vier Zombies. Zwei Taue wurden an Bord gezogen, und der Anker beendete mit einem dröhnenden Krachen seinen Aufstieg. Die Maschinen brummten lauter, das Wasser am Heck des Schiffes begann zu brodeln.
»Arschlöcher!«, schrie Mitch. »Wartet auf uns! Wir sind hier! Wartet!«
Eine Laufplanke aus Metall verband das Schiff mit dem Pier. Mir wurde schlecht, als ich sah, wie sie anfingen, sie hochzuklappen.
»Sie fahren ab«, wimmerte Tasha. »Sie fahren ohne uns. Warum warten sie denn nicht?«
Ich blieb stehen, streckte mein Gewehr in den Himmel und verballerte alle vier Schüsse.
Damit hatte ich die Aufmerksamkeit der Mannschaft.
Sofort drehten sich alle an Bord in unsere Richtung. Wir waren immer noch nicht nahe genug dran, um ihre Gesichter erkennen zu können, aber ich konnte mir ihre Mienen vorstellen. Denn als ich mich umdrehte, um zu sehen, wie weit unsere Verfolger inzwischen aufgeholt hatten, schrie ich. Vor Hamelns Rache
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