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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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und wer genau unsere Retter sind.«
    »Sei vorsichtig.«
    »Du auch.«
    Ich führte die Kinder zu einer Wand – das, was Seeleute Schott nennen. Über uns verlief eine zweite Gangway und bildete eine Art Dach. Wir lehnten uns gegen das Metallschott und sahen zu, wie die Leute um uns herum alles zum Ablegen vorbereiteten. Zwei Taue waren noch festgemacht, und auf ihnen kletterte ein Schwarm untoter Ratten Richtung Schiff. Mitch lehnte sich zusammen mit einem anderen Mann über die Reling und schoss die Ratten eine nach der anderen vom Tau. Eine schaffte es nach oben und rannte über die Reling. Ein dritter Überlebender trat vor und schubste sie mit einem Mob ins Wasser. Bevor der Rest der Kreaturen das Deck erreichen konnte, wurden die Taue gelöst und in das schwarze, dreckige Wasser geworfen. Die Ratten gingen mit ihnen unter.
    Und dann bewegte sich das Schiff.
    »Volle Kraft voraus«, brüllte der Mann in Uniform. »Bring uns raus, so wie ich es dir gezeigt habe. Ich komme hoch.«
    Es war ein seltsames Gefühl. Als würde statt uns das Land in Bewegung geraten. Wir fuhren in die Bucht hinaus und ließen den Hafen und die Stadt hinter uns. Die Zombies standen am Pier und sahen zu, wie wir verschwanden. Einige von ihnen traten vor, fielen über die Kante und versanken im Wasser. Die anderen starrten einfach nur, mit nichtssagenden Mienen
– bis auf den Ausdruck stetigen Hungers. Die, die ins Wasser gefallen waren, warfen Fragen in mir auf. Zombies mussten nicht atmen. Sie brauchten keinen Sauerstoff. Sie waren tot. Was sollte sie also davon abhalten, auf dem Grund der Chesapeake Bay zu jagen, wie sie es in den Straßen der Stadt getan hatten? Konnten sie nicht einfach auf dem Grund weiterlaufen und sich von Fischen und Krebsen ernähren, bis sie das offene Meer erreichten? Und was dann? Haie gegen Zombies? Die Vorstellung war lächerlich, aber was wäre, wenn? Was, wenn...
    Was, wenn sich Hamelns Rache auf das Leben im Meer ausbreitete?
    »Jetzt können sie uns nicht mehr erreichen«, rief Malik. »Hier draußen kann uns gar nichts kriegen!«
    Tasha und er fielen sich um den Hals. Beide lächelten. Ich wandte mich wieder Richtung Land und sah zu, wie die Stadt brannte. Starrte auf die rotorange Skyline. Bis zum Morgen würde nichts mehr übrig sein. Baltimore wäre nur noch ein qualmender Haufen Asche. Port Discovery und der Teil der Stadt, in dem die angesagten Bars lagen, wie das Ramshead und das Howl at the Moon, waren hinter Rauchwolken verborgen. Das Handelszentrum und die Geschäfte am Hafen standen in Flammen. Gestern war die Skyline noch von Hochhäusern geprägt gewesen: Bürogebäude, Parkhäuser, Banken, Museen und Apartmentblocks. Jetzt bestand sie aus lodernden Riesenfackeln. Die Skyline der Innenstadt sah aus wie eine Reihe von Feuerwerkskörpern. Und darunter, immer kleiner
werdend, je mehr Fahrt die Spratling aufnahm, standen die Toten. Die Menschen an Bord jubelten, als wir den Hafen verließen. Es gab viele Umarmungen und Applaus und erhobene Fäuste – eine echte Feier. Und als ein paar Minuten später die Domino-Zuckerfabrik explodierte, hatten wir sogar unser eigenes Feuerwerk. Brennende Trümmer regneten vom Himmel und fielen platschend ins Wasser.
    »Eines sag ich euch, Kinder.«
    Tasha schaute zu mir hoch. »Nennt mich Lamar.«
    »Okay. Also, was meinst du, Lamar?«
    »Das war die längste Flucht aller Zeiten.«
    »Egal«, meinte Tasha. »Jetzt sind wir in Sicherheit. Wie Malik gesagt hat, hier draußen können sie uns nicht kriegen.«
    Die Toten sahen zu, wie wir uns entfernten. Ein paar weitere stolperten ins Wasser. Über uns kreischten Vögel. Der Himmel war voller Rauch, der immer wieder den Mond und die Sterne verdeckte. Der Ozean schien völlig ausgestorben. Keine Fische sprangen aus dem Wasser, keine Delfine folgten dem Schiff. Nur die Wellen, und selbst die schienen klein. Die Schiffsmotoren dröhnten, als wir Fahrt aufnahmen. Die Oberfläche der Bucht war schwarz, doch der volle Mond zog einen silbrigen Pfad vor uns her. Die Flammen wurden von den Wellen reflektiert. Dann zog eine Wolke vor den Mond, und die schwache Beleuchtung verschwand. Unter dem Schutz der Dunkelheit fuhren wir hinaus auf ein totes Meer.

FÜNF
    I ch weiß nicht mehr viel von der ersten Nacht an Bord der Spratling. Wir waren alle dehydriert, erschöpft und angespannt durch unsere Erlebnisse, und nach einer Weile verschwamm alles. Als das Schiff sicher von der Stadt weggekommen und so weit in die Bucht

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