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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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den Fingern. Ich konnte sie nicht sehen. Die Nacht war pechschwarz. Man konnte sich leicht vorstellen, dass die Welt nicht mehr existierte. Und irgendwie tat sie das wohl auch nicht mehr.
    Ich wartete darauf, dass meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Im Inneren des Schiffes war es warm gewesen, aber hier draußen wehte ein kalter,
scharfer Wind. Er strich angenehm über meine Haut. Sobald ich die Reling und das Deck erkennen konnte, ging ich Richtung Brücke. Ein oranges Glühen durchdrang die Finsternis. Einen Moment später roch ich Kirschtabak.
    »Sind Sie das, Lamar?«, fragte Professor Williams.
    »Ja, ich bin’s. Was ist los, Professor? Sie sehen ja ziemlich gut im Dunkeln.«
    »Das ist die einzige biologische Funktion, die mich im Alter noch nicht im Stich gelassen hat. Ein wundervoller Abend, nicht wahr?«
    »Ja, das stimmt.«
    Ich tastete mich vorsichtig an der Reling entlang, bis ich ihn erreicht hatte. Obwohl meine Augen sich angepasst hatten, konnte ich ihn kaum erkennen, bis er wieder an seiner Pfeife zog. Dann beleuchtete das sanfte Glühen sein Gesicht. Der Professor sah erschöpft aus.
    »Was treibt Sie heute Abend nach draußen?«, fragte er. »Schlecht geträumt?«
    »Nein, ich träume nie. Konnte einfach nicht schlafen. Zu heiß. Und Sie?«
    Der Professor lachte leise. »Ich habe schon immer gerne eine gute Pfeife vor dem Schlafengehen geraucht. Wenn ich sie nicht kriege, kann ich schlecht einschlafen. Aber Tonys Kabine liegt meiner genau gegenüber. Wenn er den Tabak riecht, wird er sich welchen borgen wollen, und ich fürchte, meine Vorräte sind fast aufgebraucht.«
    »Langsam geht uns alles aus«, meinte ich. »Da müssen
wir wohl horten, was geht. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ja«, stimmte er mir zu. »Auch wenn es ziemlich unzivilisiert ist, tun wir das wohl. Ich liebe meinen Nächsten, aber meinen Tabak liebe ich noch mehr. Der Geschmack der alten Welt, nicht wahr?«
    Ich zuckte mit den Schultern und starrte auf das dunkle Wasser hinaus. Der Horizont war nur ein Schatten. Der Wind nahm zu, ich fröstelte.
    »Was bedrückt Sie, Lamar? Sie sind doch sonst nicht so lakonisch.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Mir geht einfach viel im Kopf rum. Seit dem... was mit Tum und Hooper passiert ist, habe ich immer diese merkwürdigen Gedanken.«
    »Die wären?«
    Ich zögerte und umklammerte fest die Reling. »Na ja, ich meine... wo ist der Sinn, wissen Sie? Während meiner Kindheit war das Leben nicht gerade toll, aber ich habe gekämpft, damit es besser wurde. Als Erwachsener war es dasselbe. Vor ein paar Monaten habe ich meinen Job verloren, aber trotzdem habe ich darum gekämpft, dass alles wieder besser wird. Habe ums Überleben gekämpft. Und dann ist alles den Bach runtergegangen. Jeder, dem ich seitdem begegnet bin, macht das Gleiche. Sie kämpfen alle ums Überleben, selbst wenn die Chancen schlecht stehen. Mein Nachbar, Alan – wir haben nachts darüber geredet, während wir die Dinger draußen beobachtet haben. Keiner von uns wusste eine Antwort, aber
wir haben trotzdem weitergekämpft. Hat am Ende keine Rolle gespielt. Wir waren unterwegs, um uns Vorräte zu besorgen, da wurde er gebissen. Ich musste... ich musste ihn erschießen, bevor er sich verwandeln konnte. Als wir es dann auf das Schiff geschafft hatten, dachte ich, damit wäre es jetzt erst mal vorbei. Aber dann ging Stephanie. Sie wusste, dass sie sterben würde. Sie muss es gewusst haben. Aber sie hat kein Wort gesagt. Sie wollte trotzdem helfen. Wollte unbedingt weitermachen. Und Tum – selbst nachdem er der Seuche ausgesetzt war, hat er sie noch bekämpft. Ich glaube, das war ihm nicht mal bewusst, aber er hat sie dennoch bekämpft. Man konnte es in seinen Augen sehen. In seiner Stimme hören. Als würde er wieder in Ordnung kommen, wenn er nur kämpfte.«
    Der Professor nickte. »Der menschliche Geist ist wirklich stark.«
    »Allerdings. Der Überlebensinstinkt ist ein Arschloch. Aber warum? Ich meine, Sie haben doch gesehen, was in Baltimore passiert ist. Wo ist der Sinn? Meinen Sie nicht, dass wir vielleicht alle nur auf Pump leben? Es muss inzwischen mehr Zombies als Menschen geben.«
    »Falls es noch nicht so ist, wird es bald so sein.«
    »Also, warum geben wir dann nicht auf? Das wäre doch einfacher. Ich bin verdammt müde, Professor. Und Sie auch. Sie können mir nichts vormachen, ich kann es in Ihren Augen sehen. Ich würde so gerne aufgeben. Warum kann ich es nicht?«
    »Tja, es gibt eine Menge

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