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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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Gründe, warum jemand
weiterkämpft, auch wenn er keine Aussicht auf Erfolg hat. Für einige ist es eine individuelle Entscheidung, ein Aspekt im grundlegenden Wertesystem, der sagt: ›Ich werde kämpfend untergehen.‹ Das ist vor allem in den letzten paar Generationen vorherrschend, die solch einer Ikonographie in Western und Stallone-Filmen ausgesetzt waren. Andere kämpfen vielleicht, weil sie durch ihren kulturellen Hintergrund daraufkonditioniert wurden, niemals aufzugeben und zu glauben, dass dem Ringen mit einem unbesiegbaren Feind eine gewisse Nobilität innewohnt. Ich kenne Sie nicht besonders gut, Lamar, aber nach dem, was Sie mir über sich und Ihre Kindheit erzählt haben, und nach dem, was ich an Ihnen beobachtet habe, würde ich sagen, dass die zweite Variante auf Sie zutrifft.«
    »Ja, kann sein. Schätze, da ist was dran. Meine Mutter hat mir beigebracht, immer mit Stolz durchs Leben zu gehen und mich niemals zu unterwerfen.«
    »Das dachte ich mir. Und das ist eine gute, edelmütige Lektion.«
    »Das gilt allerdings nicht für jeden.«
    »Nein, tut es nicht. Andere werden vielleicht dadurch zum Kampf motiviert, dass sie einfach nicht wissen, was sie sonst tun sollen.«
    »Was ist mit Ihnen, Professor? Was lässt Sie weitermachen?«
    »Mich?« Er lachte leise. »Ich denke, ich bin genau wie viele andere auch. Ich glaube, wir kämpfen weiter, weil ein Element in unserem kollektiven Unbewussten uns dazu treibt. Selbst in meinem Alter.«

    »Was ist ein kollektives Unbewusstes?«
    »Das kollektive Unbewusste ist eine Theorie – eine, mit der ich zufällig übereinstimme. Im Grunde besagt sie, dass die Menschen in aller Welt über einen Satz unbewusster Erinnerungen verfügen, die über die Generationen weitergegeben wurden, seit der Mensch den aufrechten Gang erlernt hat. Dabei handelt es sich nicht um gewöhnliche Erinnerungen, wie etwa, wenn Sie sich an Ihren Schulabschlussball erinnern oder an Ihren ersten Kuss oder daran, wo Sie am Morgen des elften September waren. Es sind vielmehr unbewusste Erinnerungen, die in den Gehirnen aller Menschen verankert sind, die jemals gelebt haben. Sie fungieren als eine Art Bauplan, beeinflussen das menschliche Verhalten und lassen die Menschen in bestimmten Situationen ganz automatisch auf eine bestimmte Art reagieren. Sie können zum Beispiel an einen beliebigen Ort auf der Erde fahren, und Menschen, die weder Ihren kulturellen Hintergrund noch Ihre Sprache kennen, werden automatisch verstehen, dass ein Lächeln ein Zeichen von Freude ist oder ein Stirnrunzeln Missbilligung ausdrückt. Das sind universelle Signale. Wenn Sie weinen, werden sie wissen, dass Sie traurig sind oder Schmerzen haben. Und jetzt fragen Sie sich mal – warum ist das so? Wie können Menschen aus den verschiedensten Kulturen überall auf der Welt gewisse Dinge auf genau dieselbe Art interpretieren?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Weil wir alle durch das kollektive Unbewusste dazu gebracht werden, derartig auf diese Reize zu
reagieren. Manchmal im Guten. Und manchmal im Schlechten.«
    »Sie meinen, wie diese Schwulenhasser, die mir nie erklären konnten, warum sie so empfinden?«
    »Das ist ein passendes Beispiel«, meinte der Professor. »Ich bin mir sicher, dass Sie es schon mit Leuten zu tun hatten, die gegen Homosexualität waren, aber nicht wussten, warum. Sie haben ihre Engstirnigkeit wahrscheinlich mit religiösen oder moralischen Überzeugungen bemäntelt, doch tief in ihrem Inneren hat ihr kollektives Unbewusstes ihnen gesagt, dass Homosexualität die Fortpflanzungsfähigkeit der Menschheit bedroht. Deshalb waren sie abgestoßen, ohne wirklich zu verstehen, warum.«
    Die Pfeife des Professors erlosch. Er legte eine Hand um den Pfeifenkopf und versuchte, sie wieder anzuzünden, doch der Wind war zu stark. Ich legte meine Hände um seine. Als die Pfeife wieder brannte, fuhr er fort: »Es sind nicht nur unsere Reaktionen, die so beeinflusst werden. Es ist auch unser Verhalten. Sehen Sie, das kollektive Unbewusste programmiert bestimmte Daten in unserem Gehirn, wie man einen Computer programmiert. Psychologen nennen das Figuren, Dispositionen oder Archetypen. Sie fungieren als Rollenbilder für menschliches Verhalten. Einige der wichtigsten dieser Archetypen sind der ›König‹, der ›Schwindler‹ und der ›Krieger‹.«
    »Das haben Sie schon einmal erwähnt«, sagte ich und erinnerte mich an unsere Begegnung in der Schiffsküche.

    »Stimmt, habe ich. Das ist einfach eines meiner

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