Totes Zebra zugelaufen
blieb reglos stehen, bemühte sich um Beherrschung. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Dann hob er den Kopf und war wieder der alte.
»Rufen Sie mich, wenn noch irgend etwas ist, Harry«, sagte er zu dem diensthabenden Beamten. »Wenn sie zurückkommt, dann versuchen Sie herauszukriegen, worum es geht. Wenn nicht, soll sie bleiben, wo der Pfeffer wächst.«
Harry verstand ihn. Er nickte. Ähnliche Zwischenfälle waren schon öfter vorgekommen.
Mit der Morgenpost kam ein Brief Sam Woods von der Polizei in Wells. Mit verständlichem Stolz berichtete er Tibbs, daß man ihn zum Sergeanten befördert hatte. Sam Wood hatte sein ganzes Leben in den Südstaaten verbracht und war Weißer; dennoch klang sein Brief nett und freundschaftlich. Er schrieb, daß das Musikfestival in Wells ein voller Erfolg geworden sei, so daß jetzt selbst die erbittertsten Gegner kapitulieren mußten. Schon machte sich in der Stadt der Zufluß des Geldes, das die Touristen gebracht hatten, vorteilhaft bemerkbar. Miss Duena Mantoli, mit der er für den Abend verabredet war, ließ Tibbs herzliche Grüße bestellen.
Tibbs steckte den Brief ein und fühlte sich gleich viel wohler.
Der Vermißte Nummer 4 auf Tibbs' Liste kam nach seiner Ansicht am ehesten in Frage. Er hatte in der Stadt gewohnt. Tibbs meldete sich bei der Ehefrau des Vermißten telefonisch an. Er war sich völlig im klaren darüber, daß er damit die undankbare Aufgabe auf sich lud, der Frau die Nachricht vom Tode ihres Mannes beizubringen, falls er tatsächlich der Gesuchte war.
Mrs. Sean McCarthy, Mutter von fünf Kindern, empfing Tibbs hinter einer verschlossenen Maschendrahttür und erklärte: »Wir kaufen nichts.«
»Ich bin der Polizeibeamte, der vorhin bei Ihnen angerufen hat, Mrs. McCarthy«, versetzte Tibbs.
Mit mißtrauischer Miene öffnete die Frau die Tür und ließ ihn ein. Sie war nicht groß, aber recht füllig. Die energische Kinnpartie ließ ahnen, daß mit ihr nicht gut Kirschen essen war, und Tibbs vermutete, daß sie zu Zornausbrüchen neigte. In ihren Augen lag glitzernde Härte. Früher mochten sie einmal weich und strahlend gewesen sein. Ihr Gesicht war fast faltenlos, nur um ihren Mund hatten sich schon tiefe Linien der Mißbilligung gegraben.
Sie führte Tibbs in ein kleines Wohnzimmer und deutete auf einen Sessel. Die Einrichtung des Raums war billig, ein armseliger Versuch, solide Eleganz vorzutäuschen. Als Tibbs sich in den Sessel setzte, wurde auch die letzte Illusion von Bequemlichkeit zunichte.
Obwohl er bemüht war, nicht voreilig zu urteilen, machte er sich bereits auf eine Enttäuschung gefaßt. Dieses Haus und diese Frau paßten nicht zu dem Mann, den er untersucht hatte.
»Es ist noch nicht aufgeräumt«, erklärte die Frau. »Mit fünf Kindern und ohne Mann kommt man nicht dazu, alles zu erledigen.«
Tibbs verspürte ein Aufwallen von Teilnahme. So behutsam wie möglich kam er auf sein Anliegen zu sprechen. »Mrs. McCarthy, wir besitzen gewisse Informationen, die möglicherweise mit dem Verschwinden Ihres Gatten zu tun haben.« Er entschloß sich zu einer freundlichen kleinen Lüge. »Dem Eindruck nach, den Ihr Heim auf mich macht, muß Ihr Gatte ein Mann von Bedeutung sein.«
Mrs. McCarthy nickte. »Das ist er«, bestätigte sie. »Was haben Sie erfahren?«
Tibbs fuhr vorsichtig fort. »Wir stellen zur Zeit gewisse Ermittlungen an. Es besteht zwar nur geringe Aussicht, daß dieser Fall etwas mit Ihrem Gatten zu tun hat, doch wir möchten nichts außer acht lassen, das dazu beitragen könnte, das Problem vom Verschwinden Ihres Gatten zu lösen.«
Zum erstenmal zeigte die Frau eine Spur freundlicher Zustimmung. »Sehr richtig«, antwortete sie.
»Gestern«, setzte Tibbs seinen Bericht fort, »haben wir einen Mann gefunden, der offenbar das Opfer eines Unfalls wurde. Er hatte keinerlei Papiere bei sich, und bis jetzt ist es uns nicht gelungen, seine Identität festzustellen.«
»Er ist also tot?«
Tibbs nickte. »Leider ja, Mrs. McCarthy. Doch ich möchte wiederholen, daß wir keinen stichhaltigen Grund zu der An- n' es könnte sich um Ihren Gatten handeln.«
Neben Tibbs Sessel lag die Morgenzeitung auf dem Boden. Er hob sie auf, blätterte bis zu dem Bericht von der Entdeckung des Toten im Schwimmbecken und reichte das Blatt schweigend der Frau. Sie las, ohne eine Miene zu verziehen. Als sie fertig war, legte sie die Zeitung aus der Hand, als wäre sie schmutzig. »Das ist nicht mein Mann«, erklärte sie und preßte die
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