Totes Zebra zugelaufen
Lippen zusammen.
»Darf ich fragen, woher Sie das wissen?« fragte Tibbs ruhig.
Mrs. McCarthy holte tief Atem und verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Busen. »Dieser Tote ist nicht mein Mann«, wiederholte sie mit einer Bestimmtheit, die keine weitere Frage zuließ.
Tibbs wählte seine nächsten Worte sorgfältig. Er wußte, daß viele Menschen sich zwingen, nicht zu denken, um dem Schmerz keinen Raum zu lassen. »Ich bin sicher, daß Sie recht haben, Mrs. McCarthy«, sagte er, »doch für unsere Arbeit wäre es von größtem Nutzen, wenn Sie mir die Gründe für Ihre Überzeugung darlegen würden.«
Wenn er sie richtig eingeschätzt hatte, dann gehörte sie zu jenen Menschen, die nur zu gern gute Ratschläge gaben. Ihr Bedürfnis, andere zu belehren, konnte vielleicht siegen. Er sah, daß sie mit sich selbst im Widerstreit lag, und kannte den Ausgang des Kampfes, noch ehe sie sprach.
»Mein Mann«, erklärte sie fest, »würde niemals, unter gar keinen Umständen, an einem solchen Ort gefunden werden. Wir sind anständige Leute, Mr. Tibbet.« Sie ließ die Hände in den Schoß fallen, als wollte sie einen Pfahl in den Boden rammen.
Tibbs schwieg einen Moment. Dann sprach er ausdruckslos und ruhig. »Die Leute in dem Nudistencamp ließen keinen Zweifel daran, daß sie den Mann, der auf ihrem Gelände gefunden wurde, nicht kennen. Er war weder ein Mitglied der Vereinigung noch ein Gast.«
»Darauf kommt es nicht an«, versetzte Mrs. McCarthy.
»Ich wollte Ihnen nur klarmachen«, fuhr Tibbs fort, »daß der Mann ganz offensichtlich nicht dorthin gehörte. Irgend jemand hat ihn hingetragen und in das Schwimmbecken geworfen.«
Die Frau war nicht bereit nachzugeben. »Ich sagte Ihnen bereits, daß wir anständige Leute sind und mit derartiger Sittenlosigkeit nichts zu tun haben. Wir sind gläubige Christen und halten uns an das Gebot der Kirche. Niemals würde mein Mann den Fuß in ein Nudistencamp setzen.«
Tibbs wußte, daß es keinen Sinn hatte, gegen solche Starrköpfigkeit anzurennen. Er stand auf und gab sich den Anschein, als wäre er völlig überzeugt und zufrieden. Seine scheinbare Kapitulation machte die Haltung der Frau sofort weniger störrisch.
»Da Sie mir so freundlich entgegengekommen sind, Mrs. McCarthy«, bemerkte Tibbs, »möchte ich Ihnen gern noch eine Frage stellen, die zur Klärung des Verschwindens Ihres Gatten beitragen könnte. Können Sie mir sagen, ob er eine Blinddarmoperation hatte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist noch nie operiert worden.«
Damit war der Fall erledigt. »Ich danke Ihnen nochmals für Ihr Entgegenkommen, Mrs. McCarthy«, sagte Tibbs, als er ging. »Ich bin jetzt überzeugt, daß der Mann, den wir gefunden haben, nicht Ihr Gatte ist.« Diesmal wenigstens konnte er aus ehrlicher Überzeugung sprechen.
In seinem Büro wartete ein vorläufiger Obduktionsbefund auf ihn. Tibbs vertiefte sich sogleich in den Bericht.
Der Gerichtsmediziner stellte fest, daß der Mann erschlagen worden war. Allem Anschein nach handelte es sich nicht um einen Überfall von Amateuren; äußerlich wies der Körper fast keine Spuren der Mißhandlungen auf. Ein massiver Schlag unter das Brustbein, der zum Bruch der Aorta geführt hatte, war aller Wahrscheinlichkeit nach die unmittelbare Todesursache. Da der Tote ein Mann von imposanter Statur und guter Kondition gewesen war, mußte man annehmen, daß der oder die Täter sowohl über Kraft als auch Geschicklichkeit und Erfahrung verfügten.
Damit erschien die Angelegenheit in einem neuen Licht. Den Gedanken, es könnte sich um einen makabren Scherz gehandelt haben, schlug Tibbs sich nun endgültig aus dem Kopf. Er legte seine Füße auf den alten Schreibtisch, an dem schon so viele vor ihm gesessen hatten, starrte zur Decke hinauf und dachte nach.
Er war noch immer in Gedanken, als sein Zimmerkollege eintrat. Tibbs war so vertieft, daß es gut fünf Minuten dauerte, ehe er merkte, daß er Gesellschaft bekommen hatte.
Bob Nakamura war zehn Pfund zu schwer und trug das schwarze Haar so kurz geschnitten, daß die füllige Rundung seines Gesichts noch mehr betont wurde. Die Augen hinter seiner Brille strahlten in harmloser und naiver Freundlichkeit. Kein Mensch hätte ihn für einen Kriminalbeamten gehalten, und gerade das trug wesentlich zu seinen Erfolgen bei.
»Wie geht's?« erkundigte sich Bob.
Tibbs verzog den Mund. »Ich glaube«, erwiderte er langsam, »ich habe gerade ein Problem gelöst, mit dem ich mich schon die
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