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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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Date zu fahren.
    Die Fahrt ging alles andere als vielversprechend weiter. Fritz gab pausenlos langweiligen Bockmist von sich und erwähnte die Arbeit mit keiner einzigen Silbe. Wann immer sie versuchte, ihm einen Schubs in die richtige Richtung zu geben, wich er aus. Er sprach über Politik und die Lage der Nation, fluchte, als er türkische oder arabische Jugendliche sah und beschwerte sich über den Zustand der Straßen. Kurz gesagt, hielt er sie für eine Gesinnungsgenossin. Er ging automatisch davon aus, da der Doktor sein ganzes Personal aus dieser Szene rekrutiert hatte. Die verstanden sich ja mit niemand anderen, da konnte man nicht einfach einen Kommunisten dazugeben.
    Menschen waren kompliziert, sie bildeten sich gerne etwas auf ihre Ideologien ein. Sie erhöhten sich und Ihresgleichen, um abfällig auf den Rest hinunterzublicken. Das taten alle, ob Katholiken, Nazis, Kapitalisten und so weiter und so fort. Dabei waren sie alle gleich: sie aßen, sie kackten, sie tranken, sie pissten, sie fickten, sie starben.
    Ob Fritzchen auch zu anderen Perversionen neigte, abgesehen von den Dingen, die er berufsbedingt, tat? Sie würde es bald herausfinden. Aber wenn ja, wie weit würde sie ihn gehen lassen und vor allem, wie weit würde sie selbst gehen? Schade, dass sie ihn nicht foltern durfte, dann wäre es ein leichtes gewesen zu erfahren, was sie in der Praxis trieben. Aber sogar Weiße Foltermethoden kamen nicht in Frage — dabei machte Waterboarding riesigen Spaß. Verzwickte Situation. Alles nur wegen ihrer Neugier.
    Das Restaurant war passabel, die Gesellschaft leider nicht. In der Öffentlichkeit sprach der Hengst nicht mehr von Politik und seine Ideologie ruhte im Verborgenen. In der bürgerlichen Gesellschaft mauserte er sich zu einem hundsgewöhnlichen Snob. Aus heiterem Himmel trumpfte er mit einem ganzen Arsenal politisch korrekter, todlangweiliger Themen auf. Da gab es seine Zeit beim Militär, Anekdoten aus dem Sport und zu viele persönliche Erfolgserlebnisse, um sich alle zu merken.
    Mit anderen Gesprächspartnern wären die Themen halb so schlimm gewesen. Dennis zum Beispiel, konnte wundervolle Geschichten von scheinbar langweiligen Ereignissen erzählen. Bei ihm war ein Schokoriegel, nicht einfach nur ein Schokoriegel, sondern barg den Schlüssel zur Knechtung der Welt.
    Wenn sie mit dem Junkie zusammen war, dann hatte sie wenigstens ihre DVD Sammlung und konnte die Langweile, die er verbreitete, verdünnen. Genau diese Taktik wollte sie nun anwenden. Sie fing an, über ihre Lieblingsfilme zu sprechen und wurde bitter enttäuscht. Er kannte keinen einzigen der Filme, nicht einmal die Klassiker. Er sei zu beschäftigt, um fernzusehen und Hollywood sei sowieso nichts als jüdische beziehungsweise US-Amerikanische Propaganda, fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu. Er kannte nicht einmal Harry Potter! Wieso sollte er einen Kinderfilm gucken, fragte er. Während sie begeistert weitersprach, wackelte er irritiert auf seinem Stuhl hin und her und blickte sich nervös um. Der Kerl begann, sich für sie zu schämen, merkte sie. Was für eine Frechheit! Sah sie denn nicht glänzend aus? War es da nicht egal, was sie von sich gab? Außerdem versuchte sie lediglich etwas Stimmung in den verdammten Puff zu bringen. Es war seine Schuld, beschloss sie, er hätte nicht so ein dummes Restaurant aussuchen brauchen, wo man nichts von Filmkultur hielt. Das musste man sich mal durch den Kopf gehen lassen, man bezahlte hier ein Heidengeld, um anschließend dazu genötigt zu werden, sich hinter einer spießigen Fassade zu verstecken. Tja, Geld machte nicht frei, Geld versklavte.
    Marie hätte den anwesenden Gästen zu gerne gesagt, dass der Mann an ihrer Seite, der Mann, der sich jetzt gerade für sie schämte, tagsüber Menschen tötete und Experimente an Kindern durchführte. Aber schlimmer noch, er es dennoch schaffte, ein vollkommener Langweiler zu sein!
    Es brachte nichts, sich der Wut hinzugeben. Sie zählte bis zehn und beruhigte sich wieder. Themenwechsel, entschied sie. Was nun? Genau, Sex war die Antwort, sie musste ihn geil machen.
    „Will der Doktor nicht mehr mit Marie spielen?“ fragte sie mit gekränkter Stimme.
    Er schaute irritiert, sie schmollte, blickte aus großen, naiven Augen zu ihm auf und strich mit ihrem Fuß gegen sein Bein. Da flimmerte ein Lächeln über sein Gesicht.
    „Lass mich noch schnell die Rechnung bezahlen und dann brechen wir auf.“
    Auf der Rückfahrt war ihm nach etwas

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