Totgeburt

fragen, würde dem Weib besser stehen, entschied Caspar, der nun merkte, wie sehr der Take-Off ihn erregt hatte. Sein Freund hatte die Brünette schon ins Herz geschlossen.
    Als er an die Reihe kam und sie ihre Frage stellte, ließ er seinen Charme spielen, nur um festzustellen, dass die Frau nicht auf dessen Avancen reagierte, sondern ihn mit ihrer eingespielt, professionellen Art abwickelte.
    Sie hatte keine Periode.
    War es die Höhenluft?
    Vielleicht war sie ja frigide?
    Hatte sonst niemand die erotische Spannung und das Knistern des Take-offs verspürt, fragte er sich auf seinem Gang zur Toilette, während er in die endlosen Reihen dummer Fratzen schaute. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich für sich allein in der Enge der Kabine zu erleichtern.
    ***
    Der Doktor war nicht Economy Class geflogen, sondern hatte im vorderen Teil des Flugzeugs Platz genommen. Es kümmerte Marie nicht, dass er die Beiden nicht bei sich haben wollte und sie allein mit Caspar versauern ließ. Sobald der erste Film vorgeführt wurde, verloren die nervigen Eigenheiten Caspars an Macht.
    Auch die längste Reise musste ein Ende finden und in der Wüstenstadt angekommen, pickte ein Chauffeur die beiden aus der Masse der Pauschaltouristen heraus. Vielmehr wartete der Mann speziell auf ihren Bruder, denn auf dem Schild, das er hochhielt, stand bloß dessen Name geschrieben. Marie grinste, das Zeichen war eindeutig.
    „Ich bin ein VIP, Baby“, sagte er, als ihre weiße Stretch-Limousine losfuhr.
    „Die richtigen VIPs werden hier High Roller oder Whales genannt“, erklärte sie.
    High Roller? Zu denen gehörten sie schon mal nicht.
    „Das nennst du, jemanden nach Vegas begleiten?“, fragte er plötzlich.
    „Was meinst du?“
    „Du hast gesagt, wir würden den Doc begleiten.“
    „Haben wir doch.“
    „Ja? Der Doc hat's doch längst zugegeben, ihr habt mich begleitet.“
    „Stimmt“, gab sie zu.
    Das Spiel war zu Ende.
    „Von Anfang an ging es um mich und was ich tolles tun werde“, sagte er trocken. „Was ich für die Familie tun werde“, verbesserte er sich. „Wann wolltest du mich mal aufklären?“
    „Nie.“
    „Du hast mich schon immer für einen Loser gehalten.“
    „Ja.“
    „Daran hat sich nichts geändert?“, fragte er.
    „Nein.“
    Caspar grinste.
    „Aber eine Sache hat sich tatsächlich geändert“, sagte Marie.
    „Und die wäre?“, fragte Caspar.
    „Ich weiß jetzt, dass ich nicht besser bin als du“, erwiderte sie lächelnd.
    „Zwei Loser?“, fragte ihr Bruder, dessen Laune sich sogleich besserte.
    „Zwei Loser, du sagst es, Kleiner.“
    „Tja … was passiert als nächstes?“
    „Das kann ich dir nicht sagen. Ich habe keine Ahnung, was die mit dir vorhaben. Alles Mutmaßungen.“
    „OK.“
    „Willst du es hören?“
    „Nein.“
    „Oh“, stellte sie enttäuscht fest. „Ich erzähl's dir trotzdem. Sie bekommen, was sie wollen, weil die Familie immer bekommt, was sie will. Und wenn sie haben, was sie wollen, gehen wir beide in Rente.“
    „In Rente?“
    „Zurück nach Hause“, sagte sie.
    „In die Hölle“, stellte ihr Bruder fest.
    „Ja.“
    „Marie?“
    „Ja?“
    „Ich bin spitz ohne Ende. Meine Eier explodieren gleich. Tut mir Leid. Ich kann nichts dagegen machen. Auch wenn's unpassend kommt.“
    „Ich weiß, Caspar. Nicht schlimm. Wir bringen unser Gepäck aufs Zimmer und dann gehen wir dir eine Nutte besorgen.“
    „Danke.“

XXII
    Das Übel sexueller Reproduktion wurde den Menschen zugemutet, während die Familie sich ausschließlich durch das Ritual fortpflanzte. Aber was steckte hinter Caspars übersteigertem Sexualtrieb, wenn nicht die Zeugung von Kindern? Der Doktor hatte es ja bereits angekündigt, er würde seine Schwester nicht zum Kaffeetrinken treffen. Ausgehend von der Vergangenheit des Doktors dachte Marie wieder daran, dass dieser dabei sein musste, einen Kampfstoff zu produzieren.
    Ein Virus, eine Geschlechtskrankheit?
    Vielleicht ging es darum, eine Seuche auf die Welt zu setzen, die die Menschen steril machte. Kein Nachwuchs, keine Menschheit mehr. Dann hätten die Atomwaffen mehr oder weniger ausgedient, demnach kein finaler Paukenschlag — grässliche Vorstellung!
    Was wenn Caspar der verlängerte Arm des Doktors war, quasi ein Labor, das autonom Krankheiten erzeugte? Von ihnen konnte niemand an den Seuchen der Menschen sterben, gleichwohl konnten sie sie übertragen. Dann wäre ihr gestörter Bruder einer der Reiter der Apokalypse. Falls das der Fall