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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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Geist, der Auszog in die Welt, um sie sich Untertan zu machen. Dieser Geist hatte die Welt in ein Dorf verwandelt, denn dort, wo er sich niederließ, homogenisierte er die Massen und verband sie miteinander. Unzertrennlich, bis dass allein der Tod sie scheide. Fiel ein Land, wankte das andere, fiel eine Bank, fiel die Nächste — doch was noch weitaus wichtiger war, fiel eine Bombe, brannte es überall.
    Autos drängten sich dicht an dicht vorbei an den Neonreklamen der Funktionsbauten, die nie dazu gedacht waren, der Ewigkeit zu trotzen und deren Reklamen mehr taten, als nur ein Produkt zu vermarkten. Sie warben nämlich für den gemeinsamen Way of Life.
    Sogar die heißgeliebte Hochbahn ihrer alten Heimatstadt, New York, fand hier ein Äquivalent in Form einer Eisenbahnbrücke, die deren Stil zu kopieren schien. Die Jugend hatte sich das wohl auch gedacht und ihre grauen, unpersönlichen Pfeiler aus Stahlbeton mit zahlreichen Graffiti beschmiert. ‚2012, The Apocalypse‘, strahlten ihr die bunten Lettern eines schlechten Beispiels urbaner Kunst entgegen. „Geduld, mein Junge, noch nicht“, kommentierte Marie das Werk des Künstlers.
    Ihr Blick blieb nun an einem gigantischen Filmplakat kleben. Sie verstand, was ihr eines ihrer namenlosen Geschwister mitteilen wollte, es war eine Durchhalteparole.
    Hollywood erhob sich über die Köpfe der Menschen wie ein überdimensionierter Leuchtturm. So strahlte das Licht der Traumfabrik in die weite, dunkle Welt hinaus, erhellte die Enden der Erde, verband sie miteinander, denn auch dort an der Peripherie, wo die Barbaren hausten, lauschte man ihren Botschaften und ergötzte sich am Leben und Sterben ihrer Helden. Brot und Spiele, Hollywood machte den Planeten zu einer einzigen großen Arena und befreite die Menschen dadurch vom alten Fluch Babels.
    „Was sind das eigentlich für Fässer … beim Hof, meine ich?“, riss Caspar sie aus ihren Gedanken.
    „Regentonnen“, antwortete Marie.
    „Ach, komm schon. Ich weiß, was eine Regentonne ist“, sagte Caspar empört. „Nein, ich meine die in den Kellern.“
    „Ach so, das sind Bomben und Brandbeschleuniger.“
    „Wozu?“
    „Na, wenn mal eine Razzia sein sollte, dann geht der Laden in Flammen auf, ohne all zu viele Spuren zu hinterlassen.“
    „Ok. Und die Nazi Propaganda Kacke?“
    „Falsche Spuren. Wenn dich einer fragt, dann bist du ein Nazi-Terrorist“, sagte Marie und lächelte ihn an.
    „Wie oft ist man uns eigentlich schon auf die Spur gekommen?“, fragte Caspar.
    „So richtig, noch nie. Das musst du doch von früher kennen. Bist du früher etwa davon ausgegangen, dass es uns gibt?“
    „Hm, nein.“
    „Hat dir jemand erklärt, dass es keine Monster gibt?“
    „Man hat's versucht. Ich habe es auch für eine Weile geglaubt. Der Bruder meines Pflegevaters war ein Monster. Menschen sind die Monster, dachte ich seither … oh, ich meine Sebastian.“
    „Doch, da hast du recht, Menschen sind Monster.“
    „Du sprichst wieder von Sebastian.“
    „Oh, stimmt … an Monster glauben die nicht, aber fast alle gehen davon aus, dass jemand tut, was wir tun. NWO und so.“
    „Du hast recht. Deswegen halten wir ja die Nebelmaschine in Gang.“
    „Dennis macht so Sachen, gell?“
    „Ja. Wir verdanken Leuten wie ihm unsere Freiheit.“
    Sie sah ihren Bruder prüfend an. Er sollte endlich kapieren, dass die Arbeit der Familie Sinn machte und er täglich aufs Neue davon profitierte.
    „Guter, alter Dennis“, sagte dieser — er hielt also nichts von dessen Arbeit.
    „Immer jemanden die Schuld geben für die Kacke, die wir bauen. Früher waren es die Juden, die Zigeuner und heute sind es die Terroristen und die Bänker. Ach, die Kommunisten ziehen immer. Der Mensch ist so wild auf Verschwörungen, würden wir uns hinstellen und offen sagen, wer wir sind, er würde glauben, wir seien Teil einer Desinfornationskampagne.“
    „Die Kirche glaubt an uns“, stellte Caspar fest.
    „Und wer glaubt an die Kirche?“
    „Niemand?“
    „Außerdem gehört uns der Laden … mehr oder weniger.“
    „Wirklich?“
    „Klar, aber komm ja nicht auf die Idee, dort zu anzuklopfen und vorstellig zu werden. So läuft das nicht.“
    „Ich wusste schon immer, dass die Leute nicht koscher sind. Die ganzen Skandale und so.“
    „Ja, komisch, aus irgendeinem Grund tummeln sich dort unzählige kranke Seelen. Egal, hat meistens nichts mit uns zu tun.“
    „Niemand jagt uns.“
    „Das ist das Lustige an der Sache. Menschen jagen

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