Totgeglaubt
Polizei um Hilfe gebeten, aber ich habe den Eindruck, dass die Kollegen aus Stillwater es nicht allzu eilig haben, den Fall aufzuklären.”
“Warum nicht?”
“Es mag dich überraschen, aber ich bin nicht ganz so beliebt wie einst unser Stiefvater.”
“Das zeigt doch, was für Trantüten das sind. Man kann einen Mann wie dich und ein Monster wie Barker doch überhaupt nicht miteinander vergleichen.”
“Na ja, aber du weißt doch: Das ist das bestgehütete Geheimnis der Stadt.”
“Ja, ich weiß. Gibt es was Neues von Graces Baby? Hat sie schon Wehen?”
Der Stuhl knarzte auf dem harten Holzboden, als Clay sich bewegte. “Noch nicht. Aber der Stichtag war auch erst vor zwei Tagen.”
“Vor zwei Tagen? Heißt das nicht, dass das Baby langsam rausmuss?”
“Meine Güte, du weißt ja weniger über Schwangerschaften als ich”, stellte er lachend fest. “Werden im Big Apple keine Kinder geboren?”
“Meine Freundinnen sind alle Singles. Außerdem will ich mich mit dem Thema noch gar nicht stressen. Ich hab noch Zeit genug.”
Tja,
ihr
blieb noch genug Zeit. Clay legte seine Beine auf einen zweiten Stuhl. “Die biologische Uhr hat noch nicht angefangen zu ticken, was?”
“Nicht ohne den passenden Mann.”
“Aber wie ich höre, bist du nicht sonderlich eifrig auf der Suche nach einem.”
“Du bist älter als ich.”
Genau das war der Punkt. Da Clay die Richtung, in die die Unterhaltung abdriftete, nicht gefiel, lenkte er sie schnell wieder auf sicheren Boden. “Der Arzt sagt, dass er Grace noch zwei Wochen Zeit lassen möchte, bevor er die Geburt einleitet.”
“Einleitet? Wow, ich glaube, du bist der erste Mann, den ich kenne, der dieses Wort benutzt. Ich meine, in Bezug auf Babys.”
Er lachte. “Du kennst mich doch. Dank meiner sensiblen Seite kenne ich mich in allen weiblichen Belangen bestens aus.”
“Du meinst die sensible Seite, die kaum jemand kennt?”
“Zu viele Tränen und Rührseligkeiten würden meinem Image nicht guttun.”
“Ich glaube, dein Image ist eh nicht mehr zu retten”, setzte sie einen obendrauf.
“Was macht New York?”
“Es ist einfach
die
ultimative Stadt. Ich warte übrigens immer noch auf einen Besuch von dir.”
“Vielleicht komme ich tatsächlich mal”, sagte er, obwohl sie beide wussten, dass die Chancen dafür eher schlecht standen.
In der Leitung klopfte ein zweiter Anrufer an. Vielleicht schon wieder Beth Ann. Er wollte wissen, ob sie etwas mit der Schießerei zu tun hatte oder nicht, deswegen hatte er sie vorhin angerufen. Sie hatte entschieden verneint und ihm ein Alibi genannt, das leicht zu überprüfen gewesen war: Sie hatte den ganzen fraglichen Abend in der Billardhalle verbracht. Danach hatte sie ihn noch etliche Male angerufen, um zu sehen, ob er ihr glaubte. Sie hatte sogar angeboten, ihm eine selbst gekochte Suppe vorbeizubringen. Und als er das Angebot ausgeschlagen hatte, hatte sie ein langes Gerede angestimmt, dass sie doch wenigstens Freunde sein könnten.
Dabei waren sie, auch als sie noch miteinander geschlafen hatten, nicht befreundet gewesen, und er sah keinen Grund, warum sich das jetzt ändern sollte. Aber um sie loszuwerden, hatte er ihr versprochen, sie später noch einmal zurückzurufen.
“Du könntest mit Allie McCormick zusammen nach New York kommen”, schlug Molly vor.
Clay warf sein verschwitztes T-Shirt quer durch den Raum. Natürlich hatten Grace, Irene und Madeline getratscht. “Warum sollte ich?”
“Weil du sie magst.”
“Wer sagt das?”
“Du
musst
sie mögen, sonst würdest du nicht mit ihr schlafen. Immerhin ist sie Polizistin. Ganz zu schweigen davon, dass sie die Tochter des Mannes ist, mit dem Mom eine Affäre hat.”
“Mom hat die Sache beendet.”
“Ich weiß, aber glaubst du, das wird für Allie einen Unterschied machen, wenn sie es herausfindet?”
“Ich hoffe, dass sie es nicht herausfindet.”
“Ich werfe dir ja gar nichts vor.” Dann redete Molly kurz mit einer Stimme im Hintergrund, bevor sie sich wieder Clay zuwandte. “Hast du ihr denn deine Gefühle gestanden?”
“Molly, ich weiß selbst nicht einmal, wie und was ich fühle”, sagte er entnervt.
“Warum nicht?”
“Was glaubst du?”
“Clay …”, setzte Molly an, doch zum Glück klopfte es wieder in der Leitung. Diesmal freute sich Clay über die Unterbrechung.
“Bleib bitte mal kurz dran.”
Er glaubte zu hören, dass sie irgendetwas über seinen Starrsinn murmelte und darüber, dass er nicht wusste,
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