Totgeglaubt
Recht, hier zu sein.”
Joe hob eine Augenbraue. “Und wie steht’s mit Ihnen?”
“Mehr als Sie. Zumindest schätzt mich Clay.”
Er feixte. “Ja. Wir wissen alle, wie sehr er Sie schätzt.”
“Wie sind Sie hier reingekommen?”, erwiderte Allie schnell. Aus dem verschlossenen Zimmer drang kein Laut. Also spielte sie auf Zeit, um ihrem Vater und Irene die Chance zu geben, aus dem Fenster zu klettern und zu verschwinden.
“Ich sag nur so viel: Es war einfacher, ein Fenster im Keller aufzubrechen, als mich lange mit der Tür aufzuhalten.”
“Wer ist außer Ihnen noch hier?”
“Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich nicht alleine bin?”
Weil ich es mitgehört habe.
Aber das konnte sie ihm natürlich nicht auf die Nase binden. “Joe, hören Sie zu …”
Unten hörte man Kirk gegen die Tür hämmern. “Allie? Allie bist du da?”
“Das reicht”, sagte Joe. Er packte sie grob am Arm, zog sie unsanft zu sich heran und richtete den Strahl seiner Taschenlampe mit seiner freien Hand auf die Tür. “Hey, McCormick. Ich hab Ihr kleines Töchterchen hier bei mir.”
Allie versuchte, sich aus seinem Griff zu winden und Kirk hereinzulassen, doch Joe ließ sie nicht los. “Haben Sie auf Clay geschossen?”, fragte sie ihn.
Lachend schüttelte er den Kopf. “Machen Sie Witze? Der Angriff mit einer tödlichen Waffe ist ein schwerwiegendes Delikt.”
“Cindy hat meine Pistole in Ihrem Haus gesehen.”
“Cindy ist eine dumme kleine Nutte. Gar nichts hat die gesehen!”
Allie konnte Kirk bereits durch die Hintertür hereinkommen hören. “Sie hassen Clay so sehr, dass Sie vor nichts zurückschrecken.”
“Nun ja, ich würde nicht unbedingt weinen, wenn er lebenslänglich bekäme”, knurrte Joe und schlug erneut gegen die Tür. “McCormick! Ich weiß, dass Sie da drin sind.”
“Der Hass verwandelt Sie langsam in ein Monster, und Sie tun nichts dagegen”, sagte Allie.
“Und Ihr Vater ist ein Heiliger, oder was? So wie die Montgomerys? Ich wette, er versucht gerade, durchs Fenster zu kriechen. Aber er wird nicht weit kommen, denn er wird direkt in Rogers Arme laufen”, erwiderte Joe. In diesem Moment wusste Allie, dass Joes Bruder unten stand und ihrem Vater und Irene den einzigen Fluchtweg abschnitt.
“Allie?” Kirk rannte die Treppen hinauf.
“Du kommst zu spät”, empfing ihn Joe, und er hatte recht. Das Heulen eines Martinshorns durchschnitt die Stille, wurde lauter und lauter und erstarb plötzlich.
“
Sie haben die Polizei gerufen?”
, schrie Allie.
“Die Polizei und noch ein paar andere Schlüsselfiguren. Ich habe mir gedacht, dass dieser denkwürdige Augenblick angemessen bezeugt werden sollte”, antwortete Joe mit einem Grinsen.
Kirk brachte Joe dazu, Allie loszulassen. Kurz darauf kamen die Officer Hendricks und Pontiff zusammen mit Allies Mutter die Treppe heraufgerannt. Zuerst Pontiff, dann Evelyn und zuletzt ein schnaufender und keuchender Hendricks.
“Was ist hier los?”, fragte Evelyn, als sie Allie entdeckte. “Warum soll ich dich hier treffen?”
Joe, dieser kaltherzige Bastard, hatte ihre Mutter tatsächlich extra einbestellt, damit sie das Spektakel aus erster Hand mitbekam.
Kirk streckte seine Hand aus, um sie zu stützen, aber Allie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, erst recht nicht, als Hendricks und Joe die Tür aufbrachen und das Licht anknipsten. Tatsächlich war ihr Vater in dem Zimmer. Er war angezogen, aber sein Hemd war lippenstiftverschmiert. Sein Kopf war feuerrot, sein Haar zerzaust.
Er versuchte, Irene vor den Blicken abzuschirmen, aber es gelang ihm nicht. Und sie sah noch schlimmer aus als er: Ihre Haare waren völlig zerzaust, die Augen verschmiert. Wimperntusche lief ihre Wangen hinunter, zusammen mit ihren Tränen.
Doch das Schlimmste kam erst noch: Joe schlenderte durch den Raum und hob ein Stück Stoff auf, das halb unter dem Bett hervorlugte. “Was ist das denn?”, fragte er und hielt es in die Höhe, damit alle es sehen konnten.
Es war ein hauchzarter Body.
19. KAPITEL
A ls die Sonne aufging, saß Allie am Küchentisch und starrte in ihren Kaffee, der schon vor einer Stunde kalt geworden war. Sie hatte ihre Mutter mit zu sich genommen und versucht, ihr etwas zu trinken einzuflößen – ohne Erfolg. Schließlich hatte sie ihr ein Beruhigungsmittel gegeben und sie in Whitneys Zimmer schlafen gelegt. Schon jetzt wusste Allie, dass sie den Schmerzensschrei, den Evelyn im Angesicht der Untreue ihres Mannes ausgestoßen
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