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Totgeglaubt

Totgeglaubt

Titel: Totgeglaubt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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hatte, nie vergessen würde.
    Sie schob ihren Kaffee beiseite und schloss die Augen, als könnte sie die furchtbaren Bilder dieser Nacht auf diese Weise von sich fernhalten. Aber es nützte nichts, die Erinnerungen stürmten weiter auf sie ein. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie ihr Vater zögernd und holprig um Entschuldigung bat, wie Irene ihren Vater schluchzend als Liebe ihres Lebens bezeichnete. Wie Joe den beiden seine Verachtung entgegenspuckte, Kirk ihn dafür fast schlug und wie zu guter Letzt die Bürgermeisterin in diesem Chaos auftauchte.
    Kaum vorstellbar, dass sich Allie noch vor weniger als einem Jahr nach Stillwater gesehnt hatte! Als wäre es immer noch der Ort des Friedens und der Ruhe, den sie aus ihrer Kindheit kannte.
    Sam und sie hatten sicherlich keine gute Ehe geführt, aber trotzdem war ihr damaliges Leben sehr viel zuträglicher gewesen als ihr jetziges: Dale und Evelyn würden vermutlich bald ebenso geschieden sein, wie Allie es war. Sie war arbeitslos, und auch ihr Vater würde seinen Job demnächst los sein. Und als wäre das alles noch nicht genug, liebte sie einen Mann, der wahrscheinlich den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen musste.
    Wie sie sich nach Clay sehnte …
    “Das Zuhause sollte doch eigentlich ein Ort der … Geborgenheit sein”, murmelte sie. Sie war nach Stillwater zurückgekommen, um wieder zu Kräften zu kommen. Stattdessen schien ihr Leben noch schneller und unwiederbringlicher zu zerbröckeln als vorher.
    Sie fragte sich, wie ihr Bruder wohl auf die Vorfälle der letzten Nacht reagieren würde. Kurz überlegte sie, ihn anzurufen, doch dann konnte sie sich nicht aufraffen. Sie musste das Ganze erst einmal selbst verarbeiten. Aber würde sie ihrem Bruder ü
berhaupt je
davon erzählen können? Würde sie die Nachricht, dass ihr Vater mit Irene Montgomery schlief, über die Lippen bringen? Sie wusste es nicht. Es war schlimm genug gewesen, herauszufinden, dass ihr Vater eine Affäre hatte. Untreue war an sich schon nicht leicht zu akzeptieren. Aber Untreue wegen
Irene Montgomery?
Das führte zu noch mehr Komplikationen.
    Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis Joe einen weiteren Durchsuchungsbefehl besorgt haben würde. Er würde argumentieren, dass ihr Vater die Scheune bei der ersten Durchsuchung absichtlich ausgespart hätte. Erst vorhin hatte er lauthals getönt, dass Chief McCormick alles über Barkers Verschwinden wisse, seine Informationen aber mit Rücksicht auf Irene zurückhalte.
    Allie erinnerte sich an eine Bemerkung ihres Vaters. Er hatte irgendwann mal fallen lassen, dass die Montgomerys schon genug durchgemacht hätten. Wusste er tatsächlich, was passiert war?
    Sie unterdrückte ein Gähnen, stand auf und versuchte, sich durch Aufräumen abzulenken. Sie warf die Eier weg, die sie für ihre Mutter gekocht, die diese jedoch nicht angerührt hatte, wusch die Teller ab und räumte sie weg. Aber der Gedanke an das Gespräch, das sie mit ihrer Tochter würde führen müssen, munterte sie auch nicht gerade auf. Wie sollte sie Whitney erklären, dass Boppo jetzt bei ihnen wohnte? Später hatte sie dann noch eine Verabredung mit Grace, die sie bereits gestern getroffen hatten. Würde Clays Schwester aus allen Wolken fallen, wenn sie von Dale und Irene hörte? Oder wusste sie längst Bescheid? Und wie sah es mit Madeline und Molly aus? Und Clay? Sicherlich hatte Kirk sie bereits alle angerufen. Außer Clay natürlich.
    Aber Allie vermutete, dass Clay eh längst Bescheid wusste. Sonst hätte er damals nicht so ausweichend auf ihren Untreueverdacht reagiert und ihren gemeinsamen Ausflug zur Hütte so plötzlich abgesagt. Es kränkte und ärgerte sie, dass er sich ihre tiefsten Ängste angehört, sich ihr im Gegenzug aber nicht geöffnet hatte. Gleichzeitig war es aber nicht so, dass sie ihn nicht verstand. Sein Schweigen zeigte, dass er sich für den Schutz und das Wohl anderer Menschen verantwortlich fühlte. Nur leider waren ihm diese anderen Menschen wichtiger als sie.
    Natürlich. Das, was sie miteinander gehabt hatten, war flüchtig und vergänglich. Und utopisch. Eine einmalige Sache. Das wusste sie, aber es fiel ihr schwer, es zu akzeptieren. Für sie war die Liebesnacht mit Clay ein absolut überwältigendes, bedeutsames Erlebnis gewesen, das sie tief in ihrem Inneren berührt hatte.
    Weil sie sich plötzlich beengt und eingesperrt fühlte, wusch sie sich schnell die Hände und ging nach draußen. Es war ein milder Sonntagmorgen. Die gesamte

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