Totgeglaubt
ärgerlicher und beschloss, das Gespräch zu beenden. Lucas verdiente nicht ein einziges freundliches Wort von Molly. Er verdiente gar nichts. Er hatte seine persönlichen Wünsche immer über alles andere gestellt.
“Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst”, meinte Clay. “Wir haben dir nichts mehr zu sagen.”
Lucas lächelte Molly an. “Du bist eine wunderhübsche Frau geworden.”
“Halt den Mund”, fuhr ihn Clay angewidert an.
“Vielleicht hätte ich … nach so langer Zeit … nicht zurückkommen sollen, Clay”, sagte sein Vater. “Aber ich bin angerufen worden, von einer Polizeibeamtin. Sie hat mir eine Menge Fragen gestellt, und ich …”, er seufzte, “… ich habe in dem Gespräch möglicherweise einen Fehler gemacht. Darüber mache ich mir jetzt Sorgen. Ich möchte die Situation für euch ja nicht noch schwieriger machen. Ich … ich möchte, dass ihr wisst, dass ich es nicht absichtlich getan habe. Und meine Frau hat gesagt, ich sollte …”
“Deine
Frau?”
, wiederholte Clay.
“Lorette.”
“So heißt sie?”, fragte Molly eifrig.
Clay biss die Zähne zusammen, als Lucas nickte. Lorette. Was ist das für eine Frau?, fragte er sich. Auf jeden Fall musste sie etwas Besonderes an sich haben, etwas, das sie nicht hatten. “Tja, du kannst
Lorette
sagen, dass das ein sehr hübscher Gedanke war, den sie da an wildfremde Menschen verschwendet hat, aber wie du selbst gerade gesagt hast: Es wäre besser gewesen, du wärst gar nicht erst aufgetaucht. Was uns betrifft, so existierst du nämlich nicht mehr.”
Molly sagte nichts. Clay konnte spüren, wie zerrissen sie war. Er ahnte, wie schwer es ihr fiel, die einzige Gelegenheit, mit ihrem Vater zu sprechen, verstreichen zu lassen. Um ihretwillen hatte er versucht, seinen Mund zu halten. Um ihretwillen hatte er ihren Vater – gegen seinen eigenen Impuls – überhaupt bis ins Wohnzimmer vorgelassen. Aber jetzt ertrug er dessen Anwesenheit keine Sekunde länger.
Mit gesenktem Kopf starrte sein Vater auf seine Schuhe. “Du hast recht”, murmelte er. “Es tut mir leid.”
“Geh mit ihm raus, wenn du willst”, murmelte Clay in Mollys Richtung.
Er konnte es ihr nicht verwehren, mit ihrem Vater allein zu sein. Und er wollte ihr keinen zusätzlichen Kummer bereiten. Wenn sie sich mit dem zufriedengab, was Lucas ihr zu bieten hatte …
Aber Molly ging nicht mit Lucas mit. Sie trat noch näher an Clay heran und ließ ihre Hand in seine gleiten.
Und Lucas überquerte die Türschwelle. Clay hatte eigentlich erwartet, dass er sich erleichtert fühlen würde oder tiefe Befriedigung verspüren müsste. Schließlich hatte er endlich den Mann wiedergesehen, der ihn so tief verletzt hatte – und ihm unmissverständlich den Laufpass gegeben.
Lucas hatte bekommen, was er verdiente.
Und doch hatte allein diese Begegnung dazu geführt, dass Clay sich schlechter fühlte als vorher.
“Ist schon gut”, sagte Molly leise, als er zu ihr hinunterblickte.
“Ist es nicht”, erwiderte Clay. Und er fragte sich, ob es das jemals sein würde.
Nachdem Jed gegangen war, streifte Allie die Laken vom Bett und brachte sie zu ihrem Wagen, um sie zu Hause zu waschen. Dann kehrte sie zur Hütte zurück, um weiter sauber zu machen. Sollten sich ihre Eltern trennen, würde ihr Vater die Hütte verkaufen und den Erlös mit ihrer Mutter teilen müssen. Und da Clay und sie den Raum zuletzt benutzt hatten, war es das Mindeste, dass sie hier Ordnung schaffte.
Vielleicht, weil sie der Gedanke an eine mögliche Scheidung ihrer Eltern so deprimierte, tat Allie das Aufräumen und Putzen gut. Wenigstens die Hütte konnte sie schnell und effizient in Ordnung bringen.
Bei allen anderen Dingen wusste sie nicht, wie sie sie anpacken sollte. Vor allem die Informationen, die sie gerade von Jed erhalten hatte, machten sie ratlos. Natürlich war sie erleichtert, dass Clay nicht für Barkers Tod verantwortlich war, dass sie sich darin also nicht getäuscht hatte. Aber dafür wusste sie jetzt, dass Clay mitbeteiligt war an der anschließenden Vertuschung – was ausreichte, um ihn eindeutig in Konflikt mit dem Gesetz zu bringen.
Was hatten er und Irene mit Barkers Auto gemacht? Würde es je wieder auftauchen? Und wo hatten Clay, seine Mutter oder Grace die Leiche hingeschafft? Denn offensichtlich lagen Barkers Überreste nicht mehr hinter der Scheune, wo sie laut Jed vergraben worden waren.
Dabei konnte die Leiche nicht weit sein. Denn dann würde Clay nicht mehr über
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