Totgeglaubt
habe.”
Sie bemerkte die Zweideutigkeit ihrer Worte erst, als sie sie ausgesprochen hatte. Clay drehte sich zu ihr um. In seinem Gesicht spiegelten sich Überraschung und unverhohlenes Interesse. Endlich hatte sie seine Aufmerksamkeit. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass ihre Scheidung noch zu frisch war, als dass ihr das Prickeln dieses Abends nachhaltig zu Kopf steigen würde. Aber gerade jetzt, in diesem Moment, fühlte sie sich so jung und frei, als hätte sie ihre Uhr um zehn Jahre zurückgestellt. Was für eine berauschende Erfahrung! Besonders, nachdem sie sich die ganzen letzten Jahre immer nur angestrengt hatte: angestrengt, um ihren College-Abschluss zu machen, einen Job zu bekommen, ihre Ehe zu retten, ihre Scheidung zu verarbeiten, ihre Tochter großzuziehen …
“Jagdtrieb? Huh!” Sein Blick verweilte auf ihren Lippen. “Und: Was ist es für ein Gefühl, wenn Sie den anvisierten Mann endlich haben?”
Ihr Puls beschleunigte sich. Sie hatte sich in dieses doppeldeutige Geplänkel hineinmanövriert und wollte sich jetzt nicht anmerken lassen, dass es ihr gerade etwas über den Kopf wuchs. “Ich fürchte, beim einzigen Mal, wo es geklappt hat, war die Jagd das Beste von allem”, gab sie zu. “Aber ich bezweifle, dass das alleine meine Schuld war.”
“Beim einzigen Mal?”
“Ich war bislang nur mit meinem Exmann zusammen.”
“Das klingt nach einer ziemlichen Enttäuschung.”
“Ja, einer ziemlichen.”
“Aber so muss es ja nicht zwangsläufig sein.”
Sie warf ihm ein müdes Lächeln zu. “Ich nehme Sie beim Wort.”
“Ein paar Abenteuer im Leben sind also nichts für Sie?”
“Ich bin die Tochter eines Cops, erinnern Sie sich?”
“Und selbst ein Cop. Wie konnte ich das vergessen?” Er wandte seinen Blick ab, aber dafür spürte sie seine Hand auf ihrem Rücken, die sie mit sanftem Druck durch die Menge schob. Sie hatte fast den Eindruck, als würde sich diese Hand durch ihr Shirt brennen. Doch als jemand vor ihr scherzhaft einen Faustschlag austeilte und derjenige, der dem Schlag ausweichen wollte, fast auf sie drauffiel, war sie froh, Clay hinter sich zu haben.
Clay zog sie aus der Gefahrenzone direkt an seine Brust. “Ist er Ihnen auf die Zehen getreten?”, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sein Atem kitzelte sie. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. “Nein, dank Ihnen”, sagte sie, bemüht, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen.
Dann tranken sie jeder noch ein Bier und spielten weiter. Dieses Mal gewannen Allie und Clay ihr Geld zurück. Aber die Hallo-wach-Tabletten, die Allie vor dem Ausgehen geschluckt hatte, vertrugen sich nicht sonderlich gut mit dem Alkohol. Sie fühlte sich in einem seltsamen Schwebezustand.
Es wurde Zeit, fand sie, sich um eine Mitfahrgelegenheit nach Hause zu kümmern. Das eigentliche Motiv ihres Kommens hatte sie völlig aus den Augen verloren. Sie würde sich ein anderes Mal mit Clay unterhalten. Bei klarerem Verstand.
Aber Madeline dachte nicht daran, ihre Freundin schon so früh gehen zu lassen. Sie zog sie auf die Tanzfläche, und ein paar Minuten später fand sich Allie bei einem Country-Schmusesong in Clays Armen wieder.
“Macht es Ihren Eltern nichts aus, auf Ihre Tochter aufzupassen, wenn Sie abends ausgehen?”, fragte er mit einer Stimme, die in ihren Ohren besonders tief klang.
“Bis jetzt mussten sie das noch nie”, erwiderte sie. “Ich bin heute Abend zum ersten Mal privat unterwegs.”
“Das erste Mal seit
sechs Wochen?”
“Bin ich schon sechs Wochen hier?” Sie konnte sich gar nicht so genau erinnern. Und am liebsten hätte sie auch gar nicht geredet. Sie wollte sich auf die Musik konzentrieren und sich noch enger an den kräftigen muskulösen Körper pressen, der sich neben ihr bewegte und ein aufregendes Prickeln in ihr erzeugte. Es kam ihr vor, als wäre es Ewigkeiten her, dass sie mit einem Mann ausgegangen war – besonders mit einem Mann, der so gut roch wie Clay.
Plötzlich schob er sie auf Armeslänge von sich weg.
Sie blickte auf und hätte sich sofort von ihm losgemacht, wenn er seine Hände nicht auf ihrer Taille liegen gelassen hätte. War sie diejenige, die sich zu eng an ihn geschmiegt hatte? Es musste wohl so gewesen sein, denn sonst hätte er nicht so reagiert. “Tut mir leid”, sagte sie verlegen. “Ich kann nicht mehr klar denken.”
“Ich weiß.”
“Ich muss nach Hause.”
Es dauerte eine Weile, bis er schließlich sagte: “Das ist wahrscheinlich das Beste. Ich bringe Sie
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