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Totgeglaubt

Totgeglaubt

Titel: Totgeglaubt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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die Hütte schaffen”, drängte sie.
    “In die Hütte?”, fragte er. “Lass uns um Himmels willen von hier verschwinden.”
    “Das können wir nicht”, erklärte sie. “Wir haben kein Auto mehr.”
    Allie schob Clay durch die Tür und half ihm, seine Kleidung abzustreifen. Sie hatte Angst, dass er in einen Schockzustand geraten könnte, wenn es ihr nicht gelang, ihn aufzuwärmen. Er war vollkommen durchnässt, und seine Pupillen waren geweitet.
    “Hast du ein Handy?”, fragte sie.
    “Nein.”
    Na, großartig.
“Okay. Es geht dir bestimmt gleich besser”, sagte sie immer wieder. Sie wusste nicht, wen von ihnen beiden sie überzeugen wollte, ihn oder sich selbst. Sie selbst jedenfalls fühlte sich nicht annähernd so zuversichtlich, wie sie sich gab. Bevor sie in Chicago ungelöste Fälle aufgerollt hatte, hatte sie mit Notrufen zu tun gehabt; sie hatte schon die übelsten Verletzungen gesehen. Aber es war immer möglich gewesen, die Opfer sofort ins Krankenhaus zu schicken.
    Trotzdem schien es Clay nicht weiter zu beunruhigen, dass sie jetzt ein bisschen panisch klang, denn er hörte gar nicht mehr richtig zu. Allie hatte das Gefühl, er müsste all seine Kräfte aufbringen, um nicht bewusstlos zu werden.
    “Hast du starke Schmerzen?”, fragte sie.
    “Nein”, antwortete er.
    Seine zusammengebissenen Zähne zeigten ihr zwar, dass er log, aber sie beschloss, mitzuspielen. “Das ist gut.” Sie packte seinen nackten Körper in Decken ein und durchwühlte dann die Schränke nach Dingen, die ihnen vielleicht helfen konnten.
    Sie fand einen Verbandskasten, der mindestens fünfzehn Jahre alt war, und eine Packung Ibuprofen, die zum Glück noch relativ neu war. “Hier, schluck ein paar davon”, sagte sie und legte ihm vier Pillen auf die Handfläche. “Die nehmen vielleicht den gröbsten Schmerz.”
    Ohne Widerrede und ohne Wasser schluckte er die Tabletten hinunter.
    “Sieht nicht nach einer großen Sache aus”, meinte er mit einem Blick auf seinen Arm.
    Kleine Dreckklümpchen und Grashalme klebten in dem Blut, das sich über seinen Bizeps verteilt hatte, und ein frisches rotes Rinnsal quoll aus einem kleinen Loch hervor.
    Steckte die Kugel noch in seinem Körper?
    Dieser Gedanke verursachte Allie Übelkeit, was sie selbst überraschte. Sie hatte mit grausigen Mordfällen zu tun gehabt und traute ihrem Magen eigentlich einiges zu. Aber das hier war etwas anderes. Clay war kein Fremder.
    Allie reinigte die Wunde mit einem Geschirrtuch – eine Alternative gab es in der Hütte nicht. Noch immer quoll frisches Blut aus Clays Arm, deshalb drückte sie dagegen. Sie konnte sehen, wo das Geschoss die Haut durchdrungen hatte und – sie lehnte sich vor und ließ sich dann erleichtert aufs Bett fallen – wo es wieder ausgetreten war. Die Kugel hatte den Arm in gerader Linie durchquert.
    “Jetzt sag nicht, dass du ohnmächtig wirst”, murmelte er.
    “Nein, ich bin nur erleichtert, dass wir nicht noch eine Notoperation vornehmen müssen. Du hast eine wunderschöne kleine Austrittswunde! Wenn es nicht so wehtun würde, könntest du den Arm wahrscheinlich so weit drehen, dass du dich selbst überzeugen könntest.”
    Clay jaulte auf. “Ich vertraue dir.”
    “Und ich bekomme langsam die Blutung gestillt.”
    “Das freut mich”, brummte er.
    Sie wickelte das Geschirrtuch wie einen Druckverband um den Arm. “Bin gleich wieder da.”
    Er streckte seinen anderen Arm aus, um sie aufzuhalten, aber er war nicht schnell genug. “Wo gehst du hin?”
    “Zum Fluss. Wasser holen.”
    “Nein. Ich will nicht, dass du da rausgehst. Komm unter die Decke, bevor du dir eine Lungenentzündung holst.”
    Sofort stellte sich Allie seinen Körper unter der Decke vor, den Körper, den sie selbst ausgezogen hatte. Sie wusste, dass Clays Vorschlag rein pragmatisch war. Das Feuerholz war fast aufgebraucht, und sie mussten irgendwie warm bleiben. Der Schock, den er erlitten hatte, kühlte ihn wahrscheinlich aus, obwohl er mittlerweile trocken und in Decken eingehüllt war. Trotzdem: Es war vernünftiger, erst die Wunde zu reinigen. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie viele Bakterien dort hineingekrochen waren, als er auf dem Waldboden lag.
    Außerdem konnte sie schlecht mit nassen Kleidern zu ihm unter die Decke kriechen. Obwohl sie eigentlich ganz andere Sorgen hatte, hemmte sie die Vorstellung, sich einfach so nackt auszuziehen. Dafür fühlte sie sich zu sehr zu ihm hingezogen. Wäre er ein völlig Unbekannter, würde sie

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