Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
und noch mehr Shaloms wurde ich in den Keller geschickt. Die Hüterin des Archivs war eine etwa vierzigjährige Frau mit einem hellen Schnurrbart und eingetrocknetem Make-up an den Mundwinkeln. Die Haare waren blond gefärbt bis auf zwei dunkle Zentimeter dicht an der Kopfhaut.
»Shalom.«
»Shalom.«
»Ich habe gehört, Sie bewahren alte Artikel nach Themen geordnet auf.«
»Ja.«
»Gibt es ein Masada-Dossier?«
»Ja.«
»Ich würde es gern sehen.«
»Heute?« Ihr Ton ließ darauf schließen, dass sie lieber Akten an Vierjährige mit Fingerfarben ausgegeben hätte.
»Ja, bitte.«
»Mein Personal ist vorwiegend damit beschäftigt, die Archive online zu bringen.«
»Das ist ein gigantischer Aufwand.« Ich ließ vor Mitgefühl die Schultern hängen. »Aber so wertvoll.«
»Wir haben Material bis aus der Zeit, als die Zeitung noch Palestinian Post hieß.«
»Verstehe.« Ich lächelte herzlicher als der Grüß-August am Wal-Mart. »Und ich habe es nicht sehr eilig.«
»Sie können es aber nicht ausleihen.«
»Natürlich nicht.« Ich schaute angemessen entsetzt drein.
»Haben Sie zwei Dokumente, mit denen Sie sich ausweisen können?«
Ich zeigte ihr meinen Pass und die Fakultätskarte der UNCC. Sie schaute beide Ausweise an.
»Recherchieren Sie für ein Buch?«
»Mhm.«
Sie deutete auf einen von mehreren langen Holztischen. »Warten Sie dort.«
Madam Archivarin kam hinter ihrer Theke hervor und ging zu einer Reihe grauer, metallener Karteikästen, zog eine Schublade heraus und holte einen dicken Ordner hervor. Als sie das Ding auf meinen Tisch legte, lächelte sie beinahe.
»Lassen Sie sich nur Zeit, meine Liebe.«
Die Ausschnitte waren auf leere Blätter geklebt. Unmengen davon. Rechts von den Artikeln stand ein Datum, und bei vielen war der Name »Masada« in der Überschrift oder im Text eingekringelt.
Bis Mittag hatte ich drei wichtige Dinge erfahren.
Erstens: Jake hatte nicht übertrieben. Bis auf die kurze Erwähnung einer Pressekonferenz nach der zweiten Grabungssaison wurde in der Presse nie über die Höhlenfunde berichtet. Im November 64 brachte die Jerusalem Post sogar eine »Masada«-Sonderbeilage. Darin beschrieb Yadin all die sensationellen Funde der ersten Saison, die Mosaiken, Schriftrollen, die Synagoge, die mikvehs , die Palast-Skelette. Kein Wort über die Knochen aus der Höhle.
Zweitens: Yadin wusste über die Schweineknochen Bescheid. In einem Artikel vom März 69 wurde er dahingehend zitiert, dass zwischen den verschiedenen menschlichen Überresten in Masada auch Tierknochen, darunter auch solche von Schweinen, gefunden worden seien.
Woanders gab Yadin an, Beamte des Ministeriums für Religiöse Angelegenheiten verträten die Ansicht, die Schweine seien nach Masada gebracht worden, um bei der Abfallentsorgung zu helfen. Anscheinend war das auch im Warschauer Ghetto in den Vierzigern gemacht worden.
Ich fand das nicht sehr einleuchtend. Wenn die Zeloten ein Abfallproblem gehabt hätten, hätten sie ihren Müll wohl einfach über die Mauer geworfen, damit die Römer sich damit herumschlagen mussten.
Und Yadin distanzierte sich auch nicht von der Aussage, die er 69 gemacht hatte. In einem Interview von 81 sagte er einem Reporter der Post , er habe den Oberrabbi Yehuda Unterman davon in Kenntnis gesetzt, dass er sich nicht dafür verbürgen könne, dass die Überreste in Höhle 2001 tatsächlich jüdisch seien, da sie mit Schweineknochen vermischt gewesen waren.
Drittens: Yadin behauptete, dass an den Überresten aus der Höhle nie C-14-Datierungen vorgenommen worden seien. In dem 81er Interview, in dem er auch über die Schweineknochen sprach, gab er an, eine C-14-Datierung sei nie beantragt worden, und es sei nicht seine Aufgabe, dies zu tun. Ein Anthropologe nannte die hohen Kosten als Grund. Das war das Interview, an das Jake sich erinnerte.
Ich lehnte mich zurück und überlegte.
Offensichtlich hatte Yadin bezweifelt, dass die Leute in der Höhle tatsächlich jüdische Zeloten waren. Und doch schickte er nie Proben für eine C-14-Datierung ein.
Warum nicht? So teuer waren diese Tests auch wieder nicht. Was vermutete Yadin? Oder was wusste er? Hatte Yadin oder einer aus seinem Team herausgefunden, um wen es sich bei den in der Höhle Bestatteten tatsächlich handeln könnte. Bei Max?
Ich steckte die Seiten in den Ordner zurück.
Oder hatte Yadin oder einer aus seinem Team doch Proben für einen C-14-Test eingeschickt? Konnte es sein, dass jemand eine Versendung von
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