Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Lebenden, Jake.«
»Nette Alliteration.«
»Aber warum das geheim halten?«, fragte ich.
Ich wartete die Antwort nicht ab.
»Und warum ins Musée de l’Homme? Die machen keine C-14-Tests. Und warum ein komplettes Skelett? Man braucht doch nur eine kleine Knochenprobe. Und warum gerade dieses eine Skelett? Yadin hat nie darüber gesprochen. Haas hat es nie gesehen.«
»Ich habe doch schon von Anfang an gesagt, hinter diesem Skelett steckt mehr, als alle zugeben wollen.«
»Du hast mir gesagt, du willst die Hevrat Kadisha direkt fragen, ob sie Max gestohlen haben. Hast du sie angerufen?«
»Zweimal.«
»Und?«
»Ich warte auf einen Rückruf.« Sarkastisch.
Ich wickelte den Faden meines Teebeutels um den Löffel und drückte den Beutel aus.
»Das macht deinen Tee bitter«, sagte Jake.
»Ich mag ihn stark.«
»So kriegst du ihn bitter.« Jake war jetzt hellwach und streitlustig wie eh und je.
»Ich glaube, schlaftrunken bist du mir lieber.«
»Was ist eigentlich mit der DNS?«, fragte Jake.
»Ich habe meine E-Mails seit Tagen nicht abgerufen. In dem Hotel online zu gehen, ist ein Albtraum.« Das stimmte zwar, ich erwartete allerdings auch so schnell keine Ergebnisse. Und ehrlich gesagt, ging ich davon aus, dass die DNS-Daten von Max und seinem fremden Zahn ohne Vergleichsmaterial nur von beschränktem Nutzen sein würden.
»Als ich, nachdem ich dich in Montreal angerufen hatte, meine Proben aus dem Kidron-Grab einschickte, bat ich beide Institute, dir die Ergebnisse per E-Mail zu schicken. Ich dachte mir, dass ich vielleicht jemand brauche, der sie mir erklärt.«
Wieder Jakes Paranoia? Ich sagte nichts.
»Warum probierst du es nicht jetzt? Nimm meinen Computer.« Jake deutet mit dem Kinn in sein Archivzimmer. »Ich springe mal schnell unter die Dusche.«
Warum nicht? Ich setzte mich mit meinem Tee an seinen Laptop und loggte mich ein.
Von beiden DNS-Instituten waren E-Mails eingetroffen.
Ich öffnete zuerst die Berichte über Jakes Kidron-Knochen. Es gab einige Informationen, die mir aber wenig sagten. Ich nahm an, dass jede Probennummer einem Ossuar oder einem Knochenhaufen auf dem Boden entsprach.
Als Nächstes öffnete ich die aDNS- und mtDNS-Berichte über Max und seinen Zahn.
Zuerst war ich überrascht. Und dann verwirrt.
Ich las den Schlussabsatz immer und immer wieder. Ich konnte mir nicht vorstellen, was das zu bedeuten hatte.
Ich hatte Recht gehabt in Bezug auf Max. Aber ich hatte völlig daneben gelegen, was die Bedeutung der DNS anging.
34
Offensichtlich schaute ich drein wie ein Reh im Scheinwerferlicht.
»Was starrst du denn da an?«
Die Falten waren verschwunden, und Jakes Gesicht war feucht. Statt Trainingsanzug trug er jetzt Jeans und ein rotes Hawaii-Hemd.
»DNS-Ergebnisse.«
»Tatsächlich?«
Jake schaltete den Drucker an und druckte die Daten aus.
Dann überflog er mit unbewegter Miene die Seiten. »Sehr hübsch«, sagte er, zog einen Stuhl neben meinen und setzte sich. »Okay. Was hat das zu bedeuten?«
»Die mitochondriale DNS …«
»Langsam.«
Ich atmete tief durch.
»Und ganz von vorne.«
»Ganz vorne?« Auf eine Biologiestunde hatte ich eigentlich keine Lust.
»Vom Urknall.«
Tief durchatmen. Ruhig. Und los.
»Du weißt, was Kern-DNS ist?«
»Das ist die Doppelhelix, die sich im Kern einer Zelle findet.«
»Ja. Forscher arbeiten seit Jahren daran, das DNS-Molekül quasi zu kartografleren. Man nennt das Mapping. Ein Großteil dieses Mappings konzentriert sich auf den Bereich, der die Proteine kodiert, die wir als Spezies gemeinsam haben.«
»Klingt wie Atkins. Keine Kohlehydrate, keine Fette.«
»Willst du das hören?«
Jake hob beide Hände.
Ich überlegte mir, wie ich es noch einfacher formulieren konnte.
»Einige Forscher arbeiten am Mapping des DNS-Bereichs, der uns alle ähnlich macht, die Gene, die uns zwei Ohren geben, eine geringe Körperbehaarung, ein Becken, das den aufrechten Gang ermöglicht. Medizinische Wissenschaftler arbeiten an der Identifizierung von Genen, die Mutationen und Krankheiten hervorrufen können wie etwa zystische Fibrose oder Chorea Huntington.«
»Die Mapper schauen sich also die Gene an, die uns alle gleich machen. Und die Mediziner schauen sich die Gene an, die dafür sorgen, dass etwas schief läuft.«
»Das ist gar nicht so dumm formuliert. Forensische Wissenschaftler dagegen betrachten die Teile des DNS-Moleküls, die die Leute genetisch verschieden machen. Die Schrott- oder Füll-DNS, die sie untersuchen,
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