Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
israelischen Team diese Synagoge aus dem ersten Jahrhundert ausgraben würde.
Jake lud mich wie üblich ein, doch mal wieder zum Graben mitzukommen. Ich dankte ihm wie üblich und drückte mein Bedauern aus.
Als der Tee fertig war, setzte Jake sich an den Esstisch. Ich holte eine Lupe und Kesslers Foto und legte beides auf das Glas.
Jake starrte das Foto an, als hätte er es noch nie zuvor gesehen.
Nach einer vollen Minute nahm er die Lupe zur Hand. Mit langsamen, zielgerichteten Bewegungen ließ er sie über die Aufnahme wandern.
In einer Hinsicht sind Jake und ich uns sehr ähnlich.
Wenn man mich ärgert, werde ich mürrisch, barsch und reagiere mit Sarkasmus. Wenn ich wirklich wütend bin, voller weiß glühendem Zorn, dann werde ich absolut ruhig.
Diese eisige Fassade ist außerdem meine Reaktion auf Angst. Ich nahm an, dass es bei Jake ebenso war. Die plötzliche Veränderung in seinem Verhalten jagte mir einen Schauer über den Rücken.
»Was ist los?«, fragte ich.
Jake hob den Kopf und starrte an mir vorbei, versunken, wie ich nur vermuten konnte, in einer Erinnerung an Sonden, Kellen und den Geruch aufgeworfener Erde.
Dann klopfte er mit einem langen, schlanken Finger auf das Foto.
Ein unzusammenhängender Gedanke. Wenn die Schwielen nicht gewesen wären, hätten Jakes Hände auch die eines Konzertpianisten sein können.
»Hast du mit dem Mann gesprochen, der dir das Foto gegeben hat?«
»Nur kurz. Wir versuchen gerade, ihn zu finden.«
»Was hat er genau gesagt?«
Ich zögerte, weil ich mir überlegte, was ich ihm moralisch vertretbar erzählen konnte. Über Ferris’ Tod war in den Medien berichtet worden. Kessler hatte nicht um Vertraulichkeit gebeten.
Ich berichtete von dem Tod durch einen Schuss, der Autopsie und dem Mann, der sich Kessler genannt hatte.
»Angeblich soll es aus Israel kommen.«
»Tut es auch«, sagte Jake.
»Ist das eine Vermutung?«
»Es ist eine Tatsache.«
Ich runzelte die Stirn. »Bist du dir so sicher?«
Jake lehnte sich zurück. »Was weißt du über Masada?«
»Das ist ein Berggipfel in Israel, auf dem viele Menschen starben.«
Jake Lippen taten etwas, das fast wie ein Lächeln aussah.
»Bitte erklären Sie das genauer, Ms. Brennan.«
Ich kramte in meinen Erinnerungen. Ziemlich weit hinten.
»Im ersten Jahrhundert vor Christus …«
»Politisch nicht korrekt. Der Begriff heißt jetzt vor unserer Zeitrechnung.«
»– kam das gesamte Gebiet zwischen Syrien und Ägypten, also das alte Land Israel, das die Römer Palästina nannten, unter römische Herrschaft. Die Israelis waren selbstverständlich ziemlich sauer. Im Lauf des folgenden Jahrhunderts kam es zu einer Reihe von Rebellionen mit dem Ziel, die Römer wieder hinauszuwerfen. Aber jede war eine Pleite.«
»Originelle Formulierung. Aber bitte fahren Sie fort.«
»Ungefähr Sechsundsechzig nach Christus, sorry, unserer Zeit, walzte wieder eine jüdische Revolte über die Region. Diesmal machten sich die Römer vor Schiss fast in ihre Röckchen, und der Kaiser schickte Truppen, um den Aufstand niederzuschlagen.«
Ich grub tief nach Daten.
»Ungefähr fünf Jahre nach Beginn der Revolte eroberte der römische General Vespasian Jerusalem, schleifte den Tempel und verjagte die Überlebenden.«
»Und Masada?«
»Masada ist ein riesiger Felsen in der judäischen Wüste. Am Anfang des Kriegs stieg eine Gruppe jüdischer Zeloten dort hinauf und verschanzte sich. Der römische General – der Name fällt mir jetzt nicht ein …«
»Flavius Silva.«
»Genau der. Silva fand das nicht sehr spaßig. Masada war ein Widerstandsnest, das er nicht einfach so hinnehmen wollte. Silva richtete einen Belagerungsring ein, ließ eine Einkesselungsmauer bauen und dann eine riesige Rampe die Flanke von Masada hoch. Als seine Truppen schließlich einen Rammbock dort hinaufrollten und in die Festung einbrachen, fanden sie alle tot.«
Ich sagte nichts über meine Quelle, aber diese ganze Geschichte war mir aus einer TV-Miniserie über Masada aus den frühen Achtzigern in Erinnerung. Peter O’Toole als Silva?
»Ausgezeichnet. Obwohl dein Bericht ein gewisses Gefühl für Maßstäbe vermissen lässt. Silva ist nicht einfach nur mit ein paar Pelotons da hinaufmarschiert. Diese Operation war gigantisch, sie umfasste die komplette Zehnte Legion sowie sämtliche Hilfstruppen und tausende von israelischen Kriegsgefangenen. Silva war fest entschlossen, so lange zu bleiben, bis alle Rebellen unterworfen waren.«
»Wer hatte
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