Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
einzigen Wort.«
»Wenn die Daten nicht veröffentlicht wurden, woher weißt du dann, wann das Grab entdeckt und ausgeräumt wurde?«
»Ich habe mit einem Freiwilligen gesprochen, der an dieser Stätte mitgearbeitet hatte. Der Kerl ist vertrauenswürdig, und er hätte auch keinen Grund gehabt zu lügen. Und glaube mir, ich habe die Berichterstattung in den Medien wirklich gründlich recherchiert. Es war ja nicht nur diese eine Pressekonferenz. Während beider Grabungssaisons berichteten die Medien regelmäßig darüber, was in Masada gefunden wurde. Die Jerusalem Post hat ein nach Themen geordnetes Archiv, und ich habe einige Stunden mit deren Masada-Dossier zugebracht. Die Artikel erwähnen Mosaiken, die Synagoge, die mikvehs , die drei Skelette aus dem nördlichen Palast. Aber kein einziges Wort über die Überreste aus Höhle 2001.«
Jake war jetzt richtig in Fahrt.
»Und ich rede nicht nur von der Post. Im Oktober fünfundsechzig brachte die Illustrated London News ein umfangreiches Feature über Masada mit Fotos und allen Schikanen. Die Palast-Skelette werden erwähnt, ohne jeglichen Respekt vor den Toten, aber kein einziges Wort über die Knochen aus der Höhle.«
In diesem Augenblick fing Charlie an zu jodeln.
»Was zum Teufel ist denn das?«
»Mein Sittich. Normalerweise macht er das nur, wenn man ihm Bier gibt.«
»Du machst Witze.« Jake klang schockiert.
»Natürlich.« Ich stand auf und sammelte unsere Tassen ein. »Charlie wird ziemlich weinerlich, wenn er trinkt. Noch Tee?«
Jack lächelte und hielt mir seine Tasse hin. »Bitte.«
Als ich zurückkam, massierte Jake sich eben den Nacken. Ich dachte an eine Gans.
»Nur damit ich dich richtig verstehe«, sagte ich. »Yadin hatte ausführlich über die Palast-Skelette gesprochen, die Knochen aus der Höhle aber nie öffentlich erwähnt?«
»Die einzige Erwähnung von Höhle 2001, die ich gefunden habe, findet sich in der Berichterstattung über Yadins Pressekonferenz nach der zweiten Ausgrabungssaison. In der Jerusalem Post vom 28. März 1965 wird Yadin dahingehend zitiert, dass er sich beklagte, es seien in Masada nur achtundzwanzig Skelette gefunden worden.«
»Fünfundzwanzig in der Höhle und drei beim nördlichen Palast.«
»Wenn es fünfundzwanzig waren.«
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen.
»Was glaubte Yadin, wer diese Individuen in der Höhle waren?«
»Jüdischen Zeloten.«
»Ausgehend wovon?«
»Von zwei Dingen. In der Nähe gefundene Artefakte und Ähnlichkeit der Schädel zu einem Typus, der in den Höhlen von Bar Kochba in Nahal Hever ausgegraben worden war. Damals dachte man, diese Knochen stammten von Juden, die in der zweiten jüdischen Revolte gegen Rom ums Leben gekommen waren.«
»Und, war das so?«
»Wie sich zeigte, stammten die Knochen aus der Kupferzeit.«
Ich kramte in meinen Erinnerungen. Kupferzeit. Stein- und Kupferwerkzeuge. Viertes Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, nach der Jungsteinzeit, vor der Bronzezeit. Viel zu früh für Masada.
»Biologische Anthropologen halten sehr wenig von der Schädeltypologie«, sagte ich.
»Ich weiß. Aber das war Haas’ Schlussfolgerung, und Yadin akzeptierte sie.«
Ein langes, nachdenklich Schweigen entstand, das ich schließlich beendete.
»Wo sind die Knochen jetzt?«
»Angeblich sind alle wieder zurück unter der Erde bei Masada.«
»Angeblich?«
Jack stellte die Tasse geräuschvoll auf die Tischplatte.
»Lass mich ein Stückchen im Schnelldurchlauf weitermachen. In seinem populärwissenschaftlichen Werk ging Yadin kurz auf die in Höhle 2001 entdeckten Überreste ein. Shlomo Lorinez, ein ultraorthodoxes Mitglied der Knesset, las das Buch und drehte völlig durch. Er hatte den einzigen Pressebericht von fünfundsechzig, in dem die Skelette erwähnt wurden, damals nicht gelesen. Lorinez brachte in der Knesset eine offizielle Protestnote ein mit dem Vorwurf, zynische Archäologen und medizinische Wissenschaftler würden gegen jüdisches Gesetz verstoßen. Er wollte wissen, wo sich die Überreste befänden, und beharrte auf einem ordnungsgemäßen Begräbnis für die Verteidiger von Masada.
Es kam zu einer größeren öffentlichen Kontroverse. Der Minister für Religiöse Angelegenheiten und die obersten Rabbis schlugen vor, die Masada-Knochen auf einem jüdischen Friedhof am Ölberg zu begraben. Yadin widersprach und regte stattdessen die Beerdigung der drei Palast-Skelette in Masada, aber eine Wiederbestattung der Leute aus Höhle 2001 an der Stelle,
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