Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
ganzen Essens lauerte er auf spendierte Häppchen. Später legte er sich vor den Kamin. Sein Schnurren sagte, dass ein Katzenleben nicht viel besser sein konnte.
Während des Essens teilte ich Ryan meine Schlussfolgerungen bezüglich der Todesart im Ferris-Fall mit. Er wusste bereits Bescheid. Die Ermittlungsrichtung lautete nun offiziell auf Mord.
»Die Waffe ist eine Jericho neun Millimeter«, sagte er.
»Wo war sie?«
»Ganz hinten in einer Ecke der Abstellkammer, unter einem Rollkarren.«
»Gehörte Ferris die Waffe?«
»Falls ja, wusste niemand etwas davon.«
Ich griff noch einmal nach der Salatschüssel.
»Die SIJ hat in der Kammer eine Neun-Millimeter-Kugel gefunden«, fuhr Ryan fort.
»Nur eine?« Das passte nicht zu meiner Zwei-Schuss-Theorie.
»In der Deckenverkleidung.«
Und das ebenfalls nicht.
»Wie kam die Kugel da hinauf?«, fragte ich.
»Vielleicht ist Ferris auf den Schützen losgegangen, es kam zu einem Kampf, und der Schuss löste sich.«
»Vielleicht hat der Schütze Ferris die Waffe in die Hand gedrückt und den Abzug betätigt.«
»Simulierter Selbstmord?«
»Jeder Fernsehzuschauer weiß, dass es dann Schmauchspuren geben müsste.«
»LaManche hat keine gefunden.«
»Das muss aber nicht heißen, dass es keine gab.«
Ich kaute und dachte nach.
LaManche hatte ein Kugelfragment aus dem Kopf des Opfers entfernt. Die SIJ hatte eine Kugel aus der Decke gepult. Wo war der Rest der ballistischen Indizien?
»Hast du nicht gesagt, dass Ferris auf einem Hocker saß, als er die Kugeln abbekam?«
Ryan nickte.
»Mit dem Gesicht zur Tür?«
»Die wahrscheinlich offen war. Die SIJ untersucht gerade das Büro und die Gänge. Du kannst dir gar nicht vorstellen, mit wie viel Schrott das alles voll gestellt ist.«
»Was ist mit Patronenhülsen?«
Ryan schüttelte den Kopf. »Der Schütze hat sie offensichtlich eingesammelt.«
Auch das ergab keinen Sinn.
»Warum die Waffe am Tatort lassen, aber die Patronenhülsen einsammeln?«
»Eine sehr scharfsinnige Frage, Dr. Brennan.«
Ich hatte aber keine scharfsinnige Antwort.
Ich hielt Ryan die Salatschüssel hin. Er lehnte ab.
Ryan wechselt das Thema. »Habe heute noch mal bei der Witwe vorbeigeschaut.«
»Und?«
»Die Dame ist nicht gerade ein Ausbund an aufgeschlossener Freundlichkeit.«
»Sie trauert.«
»Das behauptet sie zumindest.«
»Du kaufst es ihr nicht ab?«
»Mein Bauch sagt mir, dass ich an der noch was zu knabbern habe.«
»Schlechte Metapher.« Ich dachte an die Katzen.
»Gutes Argument.«
»Irgendwelche Verdächtige?«
»Ein ganzes Füllhorn.«
»Großes Wort«, sagte ich. »Sexy.«
»Tap Pants?«, sagte Ryan.
»Kleine Wörter.«
Beim Dessert erzählte ich Ryan, was ich über Kesslers Foto erfahren hatte.
»Drum ist tatsächlich nach Paris geflogen?«
»Anscheinend.«
»Er ist überzeugt, dass das Foto dieses Masada-Skelett zeigt?«
»Und Jake ist keiner, der leicht in Aufregung gerät.«
Ryan warf mir einen merkwürdigen Blick zu.
»Wie gut kennst du diesen Jake?«
»Über zwanzig Jahre.«
»Die Frage bezog sich auf die Tiefe, nicht die Dauer der Beziehung.«
»Wir sind Kollegen.«
»Nur Kollegen?«
Ich verdrehte die Augen. »Wirst du jetzt ein bisschen persönlich?«
»Hmm.«
»Hmm.«
»Ich denke, wir sollten vielleicht unsere Trinkgelder zusammenwerfen.«
Ich hatte keine Ahnung, was er meinte.
»Ich hatte außerdem noch einmal eine Unterhaltung mit Courtney Purviance«, sagte Ryan. »Interessante Dame.«
»Aufgeschlossen und freundlich?«
»Bis das Gespräch auf Ferris oder Geschäftsdetails kommt. Dann macht sie zu wie ein Banktresor.«
»Um den Chef zu schützen?«
»Oder aus Angst, auf die Straße gesetzt zu werden. Ich habe das Gefühl, dass sie mit Miriam nicht allzu gut kann.«
»Was hat sie gesagt?«
»Es ist weniger, was sie gesagt hat.« Ryan überlegte einen Augenblick. »Es ist mehr ihr Verhalten. Auf jeden Fall habe ich aus ihr herausgebracht, dass Ferris hin und wieder auch mit Artefakten handelte.«
»Objekte aus dem Heiligen Land?«, vermutete ich.
»Natürlich legal erworben und transportiert.«
»Es gibt einen riesigen Schwarzmarkt für illegale Antiquitäten.«
»Einen kolossalen.«
Synapse.
»Glaubst du, dass Ferris etwas mit den Masada-Knochen zu tun hatte?«
Ryan zuckte die Achseln.
»Und dass das ihn das Leben gekostet hat?«
»Kessler glaubt das.«
»Hast du Kessler schon gefunden?«
»Werde ich.«
»Könnte alles Zufall sein.«
»Möglich.«
Ich
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