Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
um Birdie kümmern? Um Charlie?
Mein Gott, ich dachte schon wie meine Mutter.
»Darüber muss ich erst nachdenken, Jake.«
»Lass das Denken sein. Komm einfach nach Israel und bring das Skelett mit.«
»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich die Knochen Jesu habe?«
Lange Pause. Als Jake sich dann wieder meldete, klang seine Stimme verändert, leiser und vorsichtiger.
»Im Augenblick kann ich nur sagen, dass ich an etwas Großem dran bin.«
»Etwas Großem.«
»Wenn ich Recht habe, ist es gigantisch. Bitte, Tempe. Buch dir einen Flug. Oder ich kann das für dich übernehmen. Ich hole dich am Ben-Gurion ab. Sag niemandem, dass du kommst.«
»Ich will dir ja deine George-Smiley-Nummer nicht vermasseln, aber …«
»Sag einfach, dass du kommst.«
»Ich denke darüber nach.«
Ich tat genau das, als Ryan erschien. Er hatte sich eine Jeans angezogen. Nur eine Jeans. Eine Jeans, die weit unter der Hüfte saß.
Meine Libido regte sich.
Ryan bemerkte es.
»Ich könnte die Levi’s runterlassen, damit du die pikanteren Teile begutachten kannst.«
Ich verdrehte die Augen.
»Ich habe Kaffee gekocht.«
Ryan küsste mich auf den Kopf, gähnte und verschwand. Birdie sprang auf den Boden und folgte ihm.
Ich hörte Klappern, dann den Kühlschrank. Ryan tauchte mit meiner AAFS-Tasse wieder auf, ließ sich in einen Sessel fallen und streckte die Beine aus.
Charlie pfiff eine Zeile aus »Dixie« und krächzte dann »Strokin’«.
»Habe ich eine Unterhaltung gehört?«, fragte Ryan.
Ich schwenkte das Handy. »Jake will, dass ich Morissonneaus Skelett nach Israel bringe. Er hat mich ziemlich nachdrücklich darum gebeten.«
»Land der Sonne und des Spaßes.«
»Und der Selbstmordattentäter.«
»Das auch.« Ryan blies über seinen Kaffee. »Willst du nach Israel?«
»Ich will, und ich will nicht.«
»Ich liebe Frauen, die wissen, was sie wollen.«
»Ich wollte das Heilige Land schon immer mal besuchen.«
»Im Augenblick herrscht doch eine ziemliche Flaute. Dein Institut wird schon nicht gleich implodieren, wenn du für eine Woche verschwindest.«
»Was ist mit den Jungs?« Ich deutete auf Birdie und Charlie. »Was ist, wenn Katy mich braucht?«
Ich kam mir sofort blöd vor. Meine Tochter war vierundzwanzig Jahre alt und tausend Meilen entfernt. Und mit dem Auto in Minuten bei ihrem Vater.
»Macht Gewalt dich nervös?«
»Ich war schon in gefährlicheren Ländern.«
»Warum fliegst du dann nicht?«
Darauf hatte ich keine Antwort.
Im Institut wurde ich allerdings doch gebraucht.
Zwei Jungs hatten in einem Koffer auf dem Dachboden ihres Onkels Knochen gefunden. Die beiden dachten gleich an Cold Case und rieten die Polizei.
Die Knochen waren menschlich. Weiblich, dreißig bis vierzig zum Zeitpunkt ihres Todes.
Wichtiges Detail: Jeder Knochen zeigte an den Enden winzige Bohrlöcher. In einigen Löchern steckten noch Drahtreste.
So ließen sich die Knie mit den Schien- und Wadenbeinen verbinden. Und die wiederum mit den Fußknochen.
Sie verstehen, was ich meine. Der Onkel war ein pensionierter Arzt. Was die Jungs gefunden hatten, war ein Lehrskelett.
Mein Bericht war um fünf nach neun fertig.
Nach dem Mittagessen kehrten meine Gedanken zu Jake und seinen vorsichtigen Andeutungen in Bezug auf eine sensationelle Entdeckung zurück. Was für eine Entdeckung? Und warum diese Besorgnis wegen Masada Max, wie Ryan das Skelett getauft hatte. Jesus konnte Max auf keinen Fall sein. Max war zum Zeitpunkt seines Todes zu alt gewesen.
Oder zu jung. Zumindest, wenn man Joyces Theorie folgte.
Sowohl Jake wie Blotnik hatten das Jakobus-Ossuar erwähnt. Auch einige Internet-Artikel brachten es zur Sprache.
Da ich neugierig war, surfte ich ein wenig im Netz.
Die Suche ergab Folgendes.
Ein Ossuar ist ein kleiner Steinsarg, auch Gebeinkasten genannt.
Ossuare hatten bei jüdischen Begräbnissen im ersten Jahrhundert eine wichtige Funktion. Die Verstorbenen wurden bestattet, und man ließ sie verrotten. Ein Jahr später wurden die Knochen geborgen und dann endgültig in einem Ossuar bestattet.
Im gesamten israelischen und palästinensischen Raum wurden tausende von Ossuaren entdeckt. Auf dem Antiquitätenmarkt sind diese Gebeinkästen für ein paar hundert Dollar zu haben.
Das Jakobus-Ossuar ist eine Kalksteinkiste aus dem ersten Jahrhundert mit einer Länge von ungefähr fünfzig Zentimetern. Sie trägt die aramäische Inschrift: »Jakobus, Sohn des Joseph, Bruder des Jesus.«
Als 2002 zum ersten Mal über
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