Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Katechismus meiner Jugend bevölkert hatten?
Wer war Max gewesen?
Wer hatte in diesem Grab gelegen?
Wer lag noch immer da?
Ich spürte eine Hand auf der Schulter. Mein Hirn kehrte in die Gegenwart zurück.
»Lass uns nach unten gehen«, flüsterte ich.
Ich kroch zum Tunnel und benutzte dieselbe Technik, die mich schon ins obere Grab gebracht hatte.
Rein und runter.
Sekunden später war Ryan wieder neben mir.
Hatte ich nicht alle heruntergestürzten Steine auf der rechten Seite zusammengeschoben? Jetzt lagen einige auf der linken. Erinnerte ich mich nur falsch? Oder waren auch diese Steine bewegt worden?
Lieber Gott, lass es noch hier sein.
Ryan richtete das Mag-Lite auf die Öffnung, die bei meinem Ausrutscher entstanden war. Helles Weiß stach in tintige Schwärze.
Und fiel auf grobes, handgewebtes Tuch.
Wie schon einmal, strengte ich die Augen an, um alles aufzunehmen. Und das Hirn, um zu klassifizieren, was ich sah.
Grobe Beschaffenheit. Buckeliger Umriss.
Und an einem Ende ragte kaum sichtbar ein kleiner, brauner Zylinder mit einem knubbeligen Ende heraus.
Ein menschliches Zehenglied.
Ich packte Ryan am Arm.
»Es ist noch da!«
Keine Zeit für korrekte archäologische Vorgehensweise. Wir mussten unseren Fund hier rausbringen, bevor die Hevrat Kadisha Wind davon bekamen.
Während ich die Taschenlampe hielt, rammte Ryan das Brecheisen in eine Ritze über einem Stein direkt oberhalb der Öffnung. Ryan stemmte, und Kiesel rieselten herunter.
Der Stein wackelte und kippte dann in seine Ursprungsposition zurück.
Ryan stemmte fester.
Der Stein bewegte sich, kippte aber noch einmal zurück.
Während ich zusah, wie Ryan immer und immer wieder in die Ritze stieß, war ich froh, dass Friedman uns oben den Rücken deckte. Ich hoffte nur, wir brauchten ihn hier unten nicht.
Ryan legte das Brecheisen weg und griff zum Spaten. Er schob das Blatt in die Ritze und drückte den Stiel mit aller Kraft nach hinten.
Der Stein rutschte heraus und fiel polternd nach unten.
Ich kroch zu der vergrößerten Öffnung. Sie war groß genug.
Mein Herzschlag beschleunigte sich.
Ruhig. Ryan ist hier. Friedman steht oben am Eingang Wache.
Kopf und Schultern voran, zog ich mich in den Loculus und robbte, mit behutsamen Bewegungen und dicht an einer Wand, zum hinter Ende. Ryan leuchtete mir.
Was ich entdeckt hatte, war tatsächlich Tuch. Zwei Fragmente waren noch vorhanden. Das größere lag näher an der Loculus-Öffnung und war offensichtlich das Fußende. Das kleinere lag tiefer drinnen, wie vermutlich auch der Schädel.
Ich beugte mich über die Stoffteile und konnte ein grob gewebtes Karomuster erkennen. Die Fragmente waren klein und die Kanten ausgefranst, was darauf hindeutete, dass ein Großteil des ursprünglichen Tuchs zerstört worden war.
Einige Knochen lagen unter dem Leichentuch. Andere darum herum. Zusätzlich zu dem Zehenglied konnte ich Teile einer Elle und eines Femurs, von Becken und Schädel erkennen.
Wie sollte ich diese Überreste bergen, ohne das Leichentuch zu zerreißen? Ich ging die Möglichkeiten durch. Keine war optimal.
Ich schob die Fingerspitzen unter das größere Stück und hob es vorsichtig an einem Ende an.
Das Gewebe hob sich mit leisem Knistern, wie trockenes Laub unter einer Stiefelsohle.
Ich versuchte es an anderer Stelle.
Einige Teile lösten sich leicht. Andere blieben haften.
Ich holte die Digitalkamera aus meinem Rucksack. Während Ryan den Loculus ausleuchtete wie eine winzige Filmszene, legte ich mein Schweizer Armeemesser als Maßstab neben den Fund und fotografierte aus unterschiedlichen Winkeln.
Danach holte ich die Tupperware und den Spatel, die Mrs. Hanani mir gegeben hatte, aus dem Rucksack.
Mit Spatel und Fingerspitzen löste ich behutsam das Tuch von Knochen und Fels. Als ich beide Stücke komplett anheben konnte, rollte ich sie behutsam zusammen und legte jedes in einen separaten Behälter.
Nicht optimal, aber unter den Umständen das Beste, was ich tun konnte.
Da die Tuchfragmente nun entfernt waren, lagen die menschlichen Knochen unverhüllt vor mir. Das Zehenglied und ein Fersenbein waren die einzigen intakten Knochen. Der Rest des Skeletts war zersplittert und in einem sehr schlechten Zustand.
Schattenpuppen an den Wänden um mich herum ahmten meine Bewegungen nach, während ich die nächste Stunde damit zubrachte, Knochen, Zähne und darunter liegendes Sediment einzusammeln.
Bald schmerzten mir Rücken und Gelenke von der verkrampften Haltung in
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