Totgelebt (German Edition)
Spiegel in seinem winzigen Zimmer, das er in der betreuten WG bewohnte. Er wollte sich selber nicht mehr sehen. Nicht einmal die großen Jungs, die eigentlich für ihn sorgen und auf ihn aufpassen sollen, woll t en was mit ihm zu tun haben. „Der hat sie doch nicht alle“, flüstern sie sich immer zu, wenn Leons Name fiel. Als ob er das nicht hören würde. Sie quälten ihn. Sie freuten sich, wenn er weinen musste. Einmal wollten sie ihm Charly wegnehmen, doch er hatte um Charly gekämpft, wie ein Löwe, Charly war alles, was ihn an ein besseres Leben glauben ließ. Hätten sie ihm Charly weggenommen, hätten sie ihn auch direkt töten können. Ohne Charly hätte er allem direkt ein Ende gesetzt. Nur Charly hatte ihn aufrecht gehalten. Doch nun war Charly tot und das war seine Schuld. Und nichts konnte ihn wiederbringen, er konnte es einfach nicht ungeschehen machen. Er hatte die Verantwortung für Charly und er hatte nicht aufgepasst , und er war ganz allein, niemand hörte ihm mehr zu, er konnte nie wieder Charlys Fell kraulen, nie wieder in sein Fell hinein weinen, ihm nie wieder ins Ohr flüstern , dass er ihn liebte. Er fühlte sich schon wie tot, er war praktisch schon tot. Er war nur noch eine Hülle, alles was er wollte war , tot sein. Aber er hatte Angst vor dem Sterben. Am liebsten wäre es ihm, wenn er schon tot wäre, ihm graute allein vor dem Sterben. Er wollte einfach nicht mehr aufwachen oder so. Er wusste einfach nicht, wie er sterben konnte. Wie mache ich es nur, fragte er sich immer und immer wieder. Doch dann plötzlich war da jemand, der ermöglichte ihm einen Weg, es endlich zu tun. J emand, der ihn auserwählt hatte, der ihm helfen wollte, es gab endlich eine Möglichkeit zu sterben und sehr bald würde er seine Eltern und Charly wiedersehen. Er schaute auf die Uhr, er hatte noch genau fünfzig Minuten. Er loggte sich ein.
7. Kapitel
Max schlief am Samstag lange aus. Als er gegen 12.00 Uhr seine Augen aufschlug, fühlte er sich gar nicht gut. „Oh Gott“, stöhnte er, „wo ist das Aspirin ? “ Er hatte das Gefühl, sein Kopf sei von einer Dampfwalze überrollt worden. Er quälte sich aus dem Bett und ging ins Badezimmer. Er stellte fest, dass er immer noch Schlagseite hatte. Wie war er eigentlich nach Hause gekommen, fragte er sich. Mit dem Taxi? Zu Fuß? Von Paula war es ein ganzes Stück zu Fuß. Er konnte sich einfach nicht erinnern. Jede Bewegung tat ihm weh, er spürte seinen ganzen Körper und er hatte einen unangenehmen Geschmack im Mund. Hatte er sich am Ende auch noch übergeben? Bei Paula? Auch das wusste er nicht mehr. Seine Erinnerung endete bei einem netten Zusammensitzen bei Paula und Anne. Das war alles. Er drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Das tat gut und erfrischte ihn kurzfristig. Zu wenig. Im Spiegelschrank kramte er nach Aspirin und schluckte direkt zwei Tabletten ohne Wasser hinunter und wartete darauf, dass das dumpfe Hämmern in seinem Kopf nachlassen würde. Dann erst starrte er in den Spiegel. Er sah gar nicht gut aus, stellte er selbstkritisch fest. Wo war denn der dynamische, attraktive Mann abgeblieben, ratlos sah er sich an, inspizierte sein Gesicht. Seine Augen waren rot unterlaufen, er hatte Schatten unter den Augen, seine dunklen Haare wirkten fettig und standen wild vom Kopf ab. Und er stank bestialisch, stellte er fest. Kein Wunder, ich habe mich ja nicht einmal umgezogen. Schnell zog er seine Kleidung aus, warf sie direkt in die Wäsche und sprang unter die Dusche. Erst ganz heiß, dann eiskalt. Augenblicklich fühlte er sich besser. Er blieb noch fünf Minuten unter der Dusche stehen, dann trocknete er sich ausgiebig ab. Sein Spiegelbild zeigte ihm nun schon einen deutlich attraktiveren Mann. Das Aspirin tat sein Übriges. Er fühlte sich in der Lage zum Kiosk hinunter zu gehen, um sich die Samstagausgabe der Tageszeitung zu holen. Er zog sich schnell ein T-Shirt und eine frische Jeans an, schnappte sich den Haustürschlüssel. Im Hinausgehen tastete er auf der Ablage neben der Türe nach seinem Portemonnaie, konnte es aber nicht finden. Zumindest lag es nicht dort, wo er es immer ablegte. Er schaute sich in der Diele um, es war auch nicht heruntergefallen. Er suchte im Schlafzimmer, neben seinem Bett, suchte seine dreckige Wäsche ab, fand es dort aber auch nicht. Er wurde immer hektischer, auch im Wohnzimmer und in der Küche war von seinem Portemonnaie nichts zu finden. „Scheiße“, entfuhr es ihm
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