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Totgelebt (German Edition)

Totgelebt (German Edition)

Titel: Totgelebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Hagemann
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Gemeinschaftsküche hatte er gesagt, ihm sei nicht gut und war auf sein Zimmer gegangen. Das hatte sowieso niemanden interessiert. Es hatte nicht einmal einer der anderen aufgesehen, als er gesagt hatte, dass ihm nicht gut sei. Aber heute hatte ihn das nicht gestört, heute war ihm alles egal. Er hatte während des Essens gar nichts gesagt, er hatte auch den anderen nicht zugehört. Er hatte nur noch die kommende Nacht vor Augen. Endlich war es so weit. Er sehnte den Moment herbei, zählte die Stunden. Er hatte nicht weinen müssen, als Gregor sagte „Lass den Stinker doch in Ruhe, der versteht doch sowieso nichts. Der ist z u blöd um geradeaus zu schauen “, dabei hatte ihn der große Junge herausfordernd und provozierend angeschaut. „Du stinkst schon genauso wie dein elendiger, räudiger Hund“, hatte er noch hinzugesetzt. Als Leon immer noch keine Reaktion zeigte, schlug er ihm einfach kurzerhand die Faust in den Rücken. Leon spürte jetzt noch die Stelle, sie tat weh. Normalerweise hätte er direkt weinen müssen, doch heute war es anderes. Heute war alles anders gewesen. Er hatte einfach gar nicht reagiert. Er hatte seinen Platz leer geräumt, hatte gesagt, ihm ginge es nicht gut und war auf sein Zimmer gegangen und war dort geblieben . Er hatte noch einmal alles durchgesehen, er wollte nichts Persönliches hinterlassen. Bei dem Gedanken, dass diese blöden Arschlöcher seine Sachen durchwühlten und sich über ihn lustig machten, wurde ihm ganz anders. Deshalb zerriss er einige Briefe und Bilder. Anschließend verbrannte er die Dinge am offenen Fenster, damit keiner der anderen Jungs etwas davon mitbekommen könnte. Es durfte niemand wissen, er durfte keinen Verdacht erregen, hatte er ihm immer wieder eingeredet. Dann nahm er seine kleine olivfarbene Armeetasche, die er sich auf einem Trödelmarkt gekauft hatte und packte Charlys Knuddel hinein, außerdem noch zwei Fotos: Eines von Charly als Welpe und eines von seinen Eltern . D as war sein Lieblingsfoto von seinen Eltern. Es war schon etwas vergilbt und die Ränder waren geknickt, trotzdem würde er dieses Foto für kein Geld der Welt hergeben. Dann st eckte er sein verbliebenes Geld in sein Portemonnaie. Ihm war klar, dass, wenn er sein Geld hier lassen würde, die anderen Jungs das Geld sofort untereinander teilen würde, das wollte er nicht. Es war sein Geld, nicht das der anderen. Dann steckte er das Portemonnaie zu den anderen Dingen in seine Tasche. Er überlegte, was er noch mitnehmen wollte. Er packte noch ein Halstuch hinein. Er zog das Tuch kurz zur Nase und roch daran. Ganz schwach konnte er noch den Parfumduft wahrnehmen. Wahrscheinlich bildete er sich das nur ein. Er hatte das Tuch geklaut. Er hatte es auf einer Klassenfahrt seiner Lehrerin geklaut. Offiziell hatte sie das Tuch verloren. Er hatte es an sich genommen und sich abends heimlich am Duft berauscht. Er mochte Frau Suhrmann. Sie hatte ihm gefallen. Sie war nett zu ihm gewesen. Er hatte sich heimlich vorgestellt, dass sie vielleicht seine Mutter war und dass sie ihn bei sich aufnehmen würde. Später hatte er sich ein bisschen in sie verliebt und davon geträumt, dass er sie vielleicht eines Tages heiraten würde. Doch dann hatte sie einfach einen anderen geheiratet und ein eigenes Kind bekommen und hatte die Schule verlassen. Er hatte Frau Suhrmann nie wieder gesehen. Doch das Tuch von ihr hatte er behalten. Behutsam packte er es auch in seine Tasche. Mehr hatte er nicht, stellte er fest. Genauso armselig, wie sein ganzes Leben. Alle wichtigen Dinge passten in eine kleine Armeetasche, die noch halb leer war, in der noch jede Menge Leben Platz gehabt hätte. Dann ging er an den Kleiderschrank. Viel Auswahl blieb ihm auch hier nicht. Er wollte etwas ganz Besonderes für diesen ganz besonderen Abend anziehen. Er entschied sich für sein Nike-Sweatshirt und seine grüne Baggy-Hose. Dazu würde er DocMartins anziehen. Das gefiel ihm. Er legte die Sachen neben seine Tasche und machte sich für die Nacht fertig. Zumindest tat er so, um keinen Verdacht zu erregen. Vermutlich würde Susann nachher noch einmal reinkommen. Sie war heute beim Abendessen nicht da gewesen, er hatte sowieso das Gefühl, dass sie immer seltener kam, dabei war das ihr Job. Einmal am Tag kam sie meistens und fragte, ob alles in Ordnung sei. Hat die eine Ahnung, das interessiert sie doch auch nicht. Einmal hatte er versucht, Susann davon zu erzählen, wie er sich fühlte. Doch sie hatte ihn nicht verstanden, hatte

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