Totgelebt (German Edition)
Wagen. Am Gewürzregal entdeckt sie eine Soja-Soße, die könnte auch passen, beschloss sie und legte auch diese in den Wagen. Kurz überflog sie die Dinge in ihrem Einkaufswagen. Eigentlich hatte sie sämtliche Zutaten für das geplante Wok Essen zusammen. Auf dem Weg zur Kasse schnappte sie sich noch ein e Flasche Rotwein und reihte sich in die Kassenschlage ein. Als sie vor ihrem Haus hielt, war sie guter Laune. So gut wie schon lange nicht mehr, bemerkte sie selber. Heute schleppte sie sich nicht mühsam die Treppe hoch, sondern nahm immer zwei Stufen auf einmal. Sie blieb auch nicht nachdenklich vor der Wohnungstüre stehen, sondern schloss direkt die Türe auf und rief „Ich bin da“. Anne kam ihr entgegen. Auch sie hatte gute Laune, stellte Paula sofort fest. Paula war froh, sie merkte, dass für Anne der gestrige Abend ebenso wichtig wie für sie selbst war. Vermutlich hatte sie genauso unter dem quälenden Schweigen der letzten Wochen gelitten. Hoffentlich war das hier nicht nur ein kurzes Hoch in der Beziehung, schoss es Paula für eine Sekunde durch den Kopf. Egal, und wenn schon, genieß es, machte sie sich selber Mut. Anne küsste sie sanft zur Begrüßung auf den Mund und schaute sie einen Moment an, dann nahm sie Paula die Tasche mit den Einkäufen ab und ging damit in die Küche. „Ich gehe nur schnell Duschen, danach helfe ich dir“, rief Paula, die schon auf dem Weg ins Bad war.
Erik saß auf Lottes Bett und starrte die Karte der Kommissarin an. Wenn du wüsstest, was ich weiß, dachte er. Keine Ahnung, was das Richtige ist. Was soll ich denn tun? Du hast es doch selbst gewollt, dich hat ja niemand umgebracht. Du hast mir doch sogar erzählt, dass du es nicht mehr aushältst. Also brauch ich doch auch nichts zu sagen. Wie kann etwas falsch sein, w as du selber w olltest? Versteh ich nicht. Er war immer noch allein in der Wohnung, seine Mutter war nun schon mehrere Stunden weg. Das war ihm egal und wenn schon. Und wenn sie gar nicht mehr nach Hause kommt, wen kümmerte das schon. Dann kam er wenigstens dazu, mal nachzudenken, ohne sich ständig das Geschrei der Alten anzuhören. Er sah sich im Zimmer seiner toten Schwester um. Es kam ihm so vor, als ob er sich das erste Mal in diesem Zimmer aufhalten würde. Alles war so fremd, so unbewohnt, sie irreal. Er hatte sich nie gut mit Lotte verstanden, sie war halt seine große Schwester. Viele Geschwister kamen sich im Alter näher, wenn sie sich nicht mehr jeden Tag sahen, hatte er mal gelesen. Vielleicht wäre das bei ihnen beiden auch so gewesen . Ihn hatte Lotte zumindest meistens genervt. Sie hatte ihn ständig gemaßregelt, tu das und tu jenes und geh nicht in mein Zimmer und wühl nicht meine Sachen durch und das geht dich nichts an. Als ob ihn ihr armseliges kleines Leben im Geringsten interessiert hatte. Sie teilten sich den PC, deshalb musste er ab und zu notgedrungen in ihr Zimmer kommen. Aber auch das war ihr nicht recht gewesen. Nichts durfte er. Trotzdem wusste er über alles Bescheid. Wenn sie das auch nur geahnt hätte. Er verharrte einen Augenblick in seinen Gedanken, bemerkte, wie wieder Tränen in ihm aufstiegen. Er wusste gar nicht woran das lag. Er war Lotte nie so nahe gewesen, dass er angenommen hätte, wegen ihr nun ständig heulen zu müssen. Er schluckte zum wiederholten Male das erstickende Gefühl in seinem Hals hinunter und blinzelte wie wild. Mein Gott. Sie hat dir doch auch nicht geholfen. Das Einzige, was euch verbunden hat, war der Hass auf die Alte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jetzt stand er ganz alleine im Kampf gegen die Alte da. Er ließ seinen Arm hängen, ließ ihn baumeln, so als ob er gar nicht mehr zu ihm gehörte. Er schaukelte drei-, viermal hin und her. Er starrte dabei seinen Arm an. Wie tot, dachte er. Vielleicht sterbe ich auch, ganz langsam. Seine Hand öffnete sich und die Karte der Kommissarin fiel zu Boden. Er schaute die Karte ein paar Sekunden an, dann hob er sie wieder auf. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Er erhob sich träge vom Bett, noch nicht ganz von seinem Entschluss überzeugt, ging er dann aber zielstrebig auf die Schubladen von Lottes Schreibtisch zu, öffnete die oberste Schublade und begann zu suchen.
Paula und Anne machten es sich nach dem Essen auf der Couch gemütlich. Paula nahm die angebrochene Flasche Wein und die beiden Gläse r mit. Sie schenkte B eiden nach. Dann legte sie ihren Kopf auf Annes Bauch. Sie genoss Annes Nähe. Sie hatte das Gefühl, dass
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