Totgelesen (German Edition)
krank war, nein, es war nur eine leichte Verkühlung - ein Schnupfen.
Er legte die Füße auf den schweren Eichenholzschreibtisch und wartete. Er wartete darauf, dass sich Schritte entfernten oder ein Auto wegfuhr. Doch nichts passierte. Er sah auf seine Uhr - die Zeit verrann. Plötzlich klopfte es an seiner Tür. Erschrocken fuhr er zusammen. Wie konnte Veronika es wagen, ihn zu stören. Das »Ja«, das er daraufhin von sich gab, glich mehr einem Knurren als einem menschlichen Laut.
Veronika meldete zwei Herrschaften von der Polizei, die ihn zu sprechen wünschten. Da war der Punkt erreicht, an dem seine Stimmung ein bedenkliches Niveau erreichte.
***
Bevor sich die Kriminalisten auf den Weg zum Autor begaben, beschäftigten sie sich mit dessen Büchern. Dank der Kombinationsgabe von Specht, hatten sie nicht nur »Joggermord« vor sich liegen, sondern auch »Skifahrermord« und das Buch, das Beiel zwei Jahre davor veröffentlicht hatte. Doch sein Erstlingswerk wurde von den drei Ermittlern schnell als unwichtig abgetan. Zwar war die Geschichte eines Mädchens, das vom eigenen Vater missbraucht und jahrelang in den Keller gesperrt wurde, traurig, dennoch war es keine Story, die in ihren Zuständigkeitsbereich fiel. Dafür erwies sich ihr Gespür bei den beiden anderen Büchern als richtig. Sie schienen wirklich als Vorlage für die Morde am See und am Lift gedient zu haben.
Monika und Hofer fuhren zu Beiel, während Specht den Eltern des zweiten Opfers einen Besuch abstattete.
Es dauerte eine Weile, die störrische Haushälterin davon zu überzeugen, sie einzulassen. Schließlich gelang es und sie folgten ihr durch das Domizil des Schriftstellers.
Nach dem mit Kunstwerken überhäuften Eingangsbereich betraten die beiden Kommissare ein Treppenhaus, das eher an ein Vestibül als an ein Wohnhaus erinnerte. Dominiert wurde der Raum von einer Wendeltreppe, deren massive Marmorblockstufen mit rotem Teppich ausgelegt waren. Hofer überschlug im Geiste, dass man für das Geld, das die Treppe verschlungen haben musste, bequem ein kleines Einfamilienhaus hätte errichten können. Im ganzen Raum verteilt standen Pflanzen und Skulpturen; an den Wänden hingen Gemälde und Zeichnungen. Eine besonders hässliche, meinte Monika schon einmal in einer Zeitschrift gesehen zu haben, verbunden mit der Erinnerung, dass das Bild bei einer Auktion einen Wahnsinnserlös erzielt hatte. Allerdings konnte sie weder sagen wer der Künstler war, noch ob es sich bei dem Bild um das Original oder um eine Kopie handelte.
Monika und Hofer folgten der Haushälterin über die Treppe nach oben. Dort wurde jeder ihrer Schritte von einem Perser gedämpft, bei dessen Betreten Monika das Gefühl hatte, einzusinken. Nachdem Hofer seine Aufmerksamkeit der Haushälterin widmete, ließ Monika sich ein paar Schritte zurückfallen, um in einem unbemerkten Moment einen Blick auf ihre Schuhe, beziehungsweise die Sohlen und den Schmutz darauf zu werfen. Natürlich drehte Hofer sich genau in dem Moment zu ihr um. Ertappt holte sie Hofer rasch ein. Schließlich war sie als Polizistin und nicht als Putzfrau hier. Die Haushälterin öffnete die letzte Tür eines langen Ganges und bat die Beamten einzutreten.
Beiels Arbeitszimmer sah im Gegensatz zum restlichen Haus regelrecht armselig aus. Abgesehen von dem großen Eichenholzschreibtisch und dem Sideboard, das auch von IKEA hätte stammen können, war der Raum nackt. Kein Bild, keine Dekoration, nicht mal ein richtiges Fenster, nur eine winzige Dachluke, die ein wenig Sonnenlicht einließ. Aus Ermangelung einer Sitzgelegenheit, mussten sich die beiden wie zwei Bittsteller vor Beiels Schreibtisch aufstellen. Er hingegen fand es nicht einmal der Mühe wert, die Füße vom Tisch zu nehmen.
»Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund, mich zu stören«, Beiel schnäuzte sich geräuschvoll. Hofer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, ignorierte seinen anmaßenden Tonfall und stellte sich vor.
»Doch nicht der Hofer, dessen Frau vor ein paar Jahren abgemurkst wurde, oder? Ich habe den Fall damals voller Interesse verfolgt - beruflich sozusagen.« Er warf das gebrauchte Taschentuch auf den Schreibtisch und schenkte Hofer nun doch seine Aufmerksamkeit.
»Genau der.« Hofer antwortete lauter als üblich.
»Dass ich Sie mal kennen lerne, freut mich. Da verzeihe ich Ihnen sogar die Störung.« Monika mit chauvinistischen Blicken betrachtend, fuhr er fort: »Und wen haben wir da? Eine scharfe Kollegin haben Sie.
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