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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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einer Horde bekloppter Leute im Rotkäppchensekt-Rausch und kreischende Musik aus scheppernden Ghettoblastern. Auch so eine ausgemacht skurrile Bochumer Tradition.
    Ich war enttäuscht, dass er mich nicht gefragt hatte, ob ich mitkommen wollte.
    »Kajo fährt nach der Bestattung wieder nach Wien. Irgendwann in den nächsten Tagen. Ich soll dich übrigens herzlich grüßen.«
    Ich schluckte meine Enttäuschung herunter.
    »Geht es ihm einigermaßen?«
    »Ja.«
    »Und dir? Winnie Blaschke, wie geht es dir?«
    »Ganz okay.«
    » Eigentlich, vermute ich mal«, insistierte ich wieder.
    »Jep, eigentlich. Und dir, Miss Marple?«
    »Gar nicht. Mir geht es gar nicht. Es gibt auch gar nichts mehr in meinem Leben, um das es gehen könnte.«
    Mir war, als würde plötzlich aus meinem Überdruckkessel der Korken rausfliegen.
    »Ich hab’ kein Haus, kein Äffchen und kein Pferd. Ich habe nichts mehr. Haha! Mein Gehirn ist tiefgekühlt worden, jemand hat versucht, mich zu erwürgen, woran dieser alte, betrunkene Ex-Bulle einen erheblichen Anteil dran hat. Ich habe für einen Mann gearbeitet, der Leute umgebracht hat, um mehr Geld zu verdienen. Ein liebenswerter Mensch ist wegen dieser miesen … miesen, ach ich weiß nicht was … Drecksäcke zu einem Mörder geworden!«
    Winnie hob beschwichtigend die Hände.
    »Ich bin noch nicht fertig, Herr Kommissar!«, brüllte ich ihn an. »Ich habe zu viel erlebt in den letzten Wochen. Meine Wohnung ist ein unbewohnbarer Eispalast. Leichen pflasterten meinen Weg. Und jetzt? Jetzt habe ich nur noch diesen Rock und diese Jacke und diese Tasche, und ich habe noch genau, wenn ich mich recht erinnere, 135 Mark auf dem Konto. Und noch acht Jahre und sechs Monate Kredit vor mir. Meine ganze Arbeit aus zehn Jahren meiner so genannten Fernsehkarriere ist vernichtet und … und … und ich kann gar nichts mehr schreiben! Und! Nicht zu vergessen! Ich habe einen neuen roten Pullover! Aber nicht irgendeinen roten Pullover! Nein! Einen von Gaultier! Ich kann von mir behaupten, die am teuersten angezogene Obdachlose von Bochum zu sein!«
    Winnie sah mich mit seinen grünen Augen ruhig an und sagte gar nichts. Seine Sommersprossen hatten allerdings etwas an Farbe verloren.
    »Und … und …«, ich stieß mit meinem Zeigefinger im Rhythmus meiner Worte in seine Brust, »und … ich habe das dumme Gefühl, ich müsste dir irgendwas sagen. Speziell dir was sagen. Aber ich weiß nicht, was.«
    »Dann sag doch nix.«
    Er wich vor meinem pieksenden Zeigefinger einen halben Meter zurück.
    »Harchchch! Scheiße!«
    Ich warf hilflos beide Arme in die Luft, machte auf dem Absatz kehrt und lief in Richtung Friedhofstor. Jetzt war doch echt alles egal. Wollte der Kerl denn einfach nicht verstehen? Füttert meine Katze, fährt mich in der Gegend rum, schenkt mir einen Pullover, und die einzige Antwort ist: Dann sag doch nix. Ich könnte explodieren!
    »Warte«, hörte ich ihn rufen.
    Na endlich! Ich drehte mich um und ging rückwärts weiter.
    »Worauf denn? Auf noch einen guten Ratschlag vom Herrn Kommissar?«
    »Jetzt hör doch mal zu.«
    Ich blieb stehen. Winnie ebenfalls. Wir standen uns auf dem Friedhofsweg gegenüber – wie zwei Cowboys beim Showdown in Dead Man City. Lächerlich. Ich fragte mich, wer wohl zuerst den Colt ziehen würde. Wir taten es jedenfalls so gut wie gleichzeitig. Wir fingen beide an mit: »Der alte Kostnitz hat gesagt …«
    »Was gesagt?«, bellte ich ihn an. »Dass ich ein Auge auf dich geworfen habe? Ha, ha. Guter Witz vom alten Mann. Mir hat er nämlich dasselbe über dich gesagt.«
    Peng!
    Winnie schaute betreten zu Boden. Da würden wir heute keine Antwort finden, mein Lieber.
    »Und? Hast du, Maggie?«
    »Und du? Hast du?«
    Peng! Peng!
    Tolle Gegenfragenstrategie, Frau Abendroth! Sind wir hier bei den Vereinten Nationen oder was? Winnie schaute mir plötzlich direkt in die Augen und kam auf mich zu.
    »Jetzt komm mal her, Miss Marple.« Er umarmte mich ganz fest und flüsterte mir ins Ohr: »Der alte Kostnitz war alles Mögliche, aber kein Prophet. Das Einzige, was ich dir anbieten kann, ist, dein bester Kumpel zu sein. Und das meine ich ganz ernst.«
    Peng!
    Und weil ich noch nicht blutend am Boden lag, fügte er noch hinzu: »Ich finde dich sehr lustig und sehr mutig und sehr nett.«
    Bauchschuss!
    Also gab es doch jemand anderen in seinem Leben! Enttäuschung schmeckt nach Rohrreiniger. Ehrlich.
    Ich wollte mich von ihm losmachen, aber er ließ es nicht zu. »Nein, nein,

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