Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
Vom Netzwerk:
ganzseitige Anzeige für die Bestattungsmesse mit fachbezogenem Kongress in Ulm. Ich könnte Sommer mal fragen, ob wir da nicht unbedingt hinmüssten. Nicht zu vergleichen natürlich mit Schreibseminaren in Hollywood, aber … vielleicht gab es dort eine Modenschau für Hemden ohne Taschen? Gruftig geschminkte Models paradieren in Rüschenhemden, illuminiert von einer Kerzenhalterparade über den »Deadwalk«? Und ganz bestimmt gab es noch mehr Designersargmodelle. Vielleicht lagen in denen auch Models, damit man sich die Särge in Aktion vorstellen konnte. So wie sich bei den Autoschauen auch immer blonde Frauen auf Motorhauben rumräkeln, um die Wirkung des Wagens auf die bevorzugt männliche Klientel zu verstärken.
    Ich hatte sogar schon das Vergnügen gehabt, eine Sargmalerin kennen zu lernen. Die malte vor allem Sonne, Mond & Sterne oder Janosch-Motive auf Kindersärge. Käpt’n Blaubär und Hein Blöd waren auch schon dabei gewesen. Auch beim besten Willen und bei allem Sinn für Pietät – manche Erscheinungen der Branche grenzten an Realsatire.
    Im Fachorgan Eternity gab es einen Artikel über die Renaissance der Engel auf deutschen Friedhöfen und eine sehr mittelgrau gehaltene Anzeige für Trauerbettwäsche. Warum nur muss man das alles haben? Aber Bräute kaufen sich ja angeblich auch total teure Sachen, die sie nur für einen Tag brauchen. Wie meine Oma immer gesagt hat: »Wenn’s schee macht …« Gerne hätte ich mich noch eingehender mit den neuesten Designer-Urnen und der Frage der Friedwaldbestattung beschäftigt, aber es war endlich an der Zeit, meinen Anruf zu tätigen.
    Um Punkt Viertel vor sechs erreichte ich tatsächlich die »Prusseliese«, so nannte ich unsere Organistin. Sie versprach, am nächsten Tag pünktlich da zu sein. Prusseliese hieß sie bei mir, weil sie eben wie eine aussah. Egal, was das Thermometer anzeigte, sie tauchte immer in einem quietschorangefarbenen, fusseligen Mantel auf. Knallrote, abstehende Haare und eine Brille so dick wie Glasbausteine komplettierten ihre ungewöhnliche Erscheinung. Allerdings spielte sie wunderbar, im Gegensatz zu Orgelmän, der in der Lage war, entweder einfach nicht zu erscheinen oder im Suff auch schon mal die Polonaise Blankenese in Moll anzustimmen. Also wartete ich lieber auf meine alte Prusseliese und machte gerne eine kleine Überstunde, bevor ich eine nichtsahnende Trauergemeinde den Misstönen von Orgelmän aussetzte.
    Gerade hatte ich den Hörer aufgelegt, als ich von unten ein lautes Gepolter hörte, dann schepperte Metall gegen Metall. Oh Gott, jetzt waren die Toten auferstanden! Schon meinte ich, auf der Wendeltreppe schlurfende Geräusche zu hören.
    »Matti«, rief ich ängstlich in die Gegensprechanlage, »Herr Matti, ist was passiert?«
    Ich bekam keine Antwort. Vorsichtig tastete ich mich die ersten zwei Stufen der Wendeltreppe hinunter. Das Einzige, was hier laut schleifte, war der Keilriemen an meinem Herzen, das gerade in Formel-1-Geschwindigkeit dem Infarkt entgegenbubberte.
    »Herr Matti!«, versuchte ich es noch einmal.
    Ich nahm die nächsten zwei Stufen. Immer noch keine Antwort. Dann hörte ich Matti stöhnen. Es klang wie Aua auf Finnisch, also mit wesentlich mehr Konsonanten. Ich gab mir einen Ruck und ging zügig die letzten Stufen hinunter. Schließlich war Gefahr im Verzug. Wenn Herr Matti beim Sturz das Bewusstsein verloren hatte und die tote Frau Becker sich auf ihn werfen wollte, um seine Seele auszusaugen, sollte ich so schnell wie möglich die Tür verriegeln, bevor ich ihr nächstes Opfer werden konnte. Ich raffte zusammen, was ich an Mut finden konnte und schaute vorsichtig durch den Spalt zwischen Stahltür und Rahmen. Matti, kreidebleich im Gesicht, saß zitternd auf dem kalten Kachelfußboden. Frau Becker lag friedlich auf der Bahre und war immer noch tot.
    »Was ist passiert? Soll ich einen Arzt holen?«
    »Nein. Kreislauf«, kam es schwach von Matti.
    Ganze zwei Worte, beinahe ein Wortschwall für Mattis Verhältnisse. Ich wiederholte meinen Vorschlag, einen Arzt zu rufen, aber Matti zeigte nur stumm auf seine Jacke, die am Haken neben der Tür hing. Ich musste jetzt leider da reingehen. Also öffnete ich die Tür ganz, nahm seine Jacke vom Haken und brachte sie ihm. Er nestelte ein Fläschchen hervor.
    »Kreislauftropfen!«
    Ich half ihm aufzustehen. Er klappte fast sofort wieder zusammen. Das Erstbeste, was ich ihm unter den Hintern schieben konnte, war der Sarg, den er für Frau Becker auf einem

Weitere Kostenlose Bücher