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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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oder was? Reißen Sie sich mal am Riemen«, – das wäre dazu noch einer der harmloseren Kommentare. Darauf einen Espresso. War jetzt auch egal, wovon ich nicht würde schlafen können.
    Wir waren also zu der angegebenen Adresse gefahren, hatten endlich auch den Namen am Klingelbrett gefunden und kräftig geschellt. Lange tat sich nichts. Ich klingelte und klingelte. Hatte sich der bräsige Schwiegersohn etwa getäuscht und Opa war nur mal kurz eingenickt?
    Endlich, nach langen Minuten, wurde uns die Tür geöffnet. Im vierten Stock – ohne Aufzug – trat uns ein dicker, stark behaarter Mann um die Fünfzig bedenklich schwankend entgegen und blies uns seine Alkoholfahne ins Gesicht. Entgegen meinem sofort eintretenden Fluchtinstinkt stellten wir uns in geschäftsmäßigem Ton vor. Dabei versuchte ich, an der Fahne vorbeizuatmen und bat ihn darum, uns den Verstorbenen zu zeigen.
    Wir betraten das Wohnzimmer, wo zwei Frauen lauthals gackernd und lachend auf dem Sofa saßen. Offensichtlich nicht tot, sondern ebenso offensichtlich volltrunken. Ich konnte nur soviel verstehen: Die eine hatte wohl Pipi ins Spülbecken gemacht, weil, wie sie es formulierten, »dat Pissbecken auffem Scheißhaus« besetzt war. Aha? Mein dahingemurmeltes Beileid ging im allgemeinen Gelächter über die Pipi-Aktion unter. Die Damen tranken Baileys aus der Flasche.
    Schwiegavatter trank gar nichts mehr, er saß nämlich auf dem Toilettentopf, und die Totenstarre hatte bereits eingesetzt. Du meine Güte, wie lange hatte der denn schon unbemerkt auf besagtem »Pissbecken« gesessen, bis ihn jemand von dieser sauberen Bande vermisst hatte? Matti bemerkte meinen sehnsuchtsvollen Blick zur Wohnungstür durchaus, aber anstatt mich zu retten, schüttelte er nur sanft den Kopf und flüsterte mir ins Ohr: »Totenschein!«
    Ich flüsterte zurück: »Was?«
    »Arzt anrufen.«
    Oh ja, das hatte ich dem Mann während des Telefonates mehrfach versucht einzubläuen. Er sollte den Arzt anrufen. Auf meine Frage nach dem Arzt hin nahm der Mann noch einen großen Schluck aus seiner Flasche Korn, kratzte sich am Bauch, starrte sekundenlang in die Luft, nur um mir dann lallend zu vermelden, dass er das wohl vergessen habe, weil er auf der Couch eingeschlafen sei. Fußball war ja zu Ende gewesen. Er sei erst wieder wach geworden, als die beiden Damen lärmend aus der Kneipe nach Hause gekommen waren.
    Ich hatte unser Telefonat auch ziemlich ermüdend gefunden! Ich hätte jetzt auch gerne geschlafen! Aber – ohne Arzt kein Totenschein, ohne Totenschein kein Abtransport.
    Die Reisegruppe »Opa-Gucken« kehrte wieder ins Wohnzimmer zurück. Matti blieb in gebührendem Abstand zum Couchtisch stehen, und ich nahm neben den Damen auf dem Sofa Platz, während der Mann versuchte, einen Doktor an die Strippe zu kriegen. Die Dame von der Notarztzentrale hatte leider nicht so viel Humor, glaubte den wirren Äußerungen des Schwiegersohnes nicht und beendete einfach das Gespräch. Kluge Frau, dachte ich, hätte ich auch so machen sollen. Der Schwiegersohn machte ein ratloses Gesicht. Aber anstatt einzugreifen, nickte Matti ihm nur aufmunternd zu, es noch einmal zu versuchen. So konnten wir natürlich auch Zeit schinden, bis Herr Sommer endlich hier auftauchen würde. Wenn sie doch nur diesen dämlichen Fernseher ausmachen würden! Die jüngere Frau fing unerwartet an zu flennen. Die ältere reichte ihr schwankend die Flasche Baileys rüber. Der Schwiegersohn brüllte simultan ins Telefon und seine heulende Frau an.
    Ich wagte zu bezweifeln, dass die Notrufzentrale darauf positiver reagieren würde. Nachdem die Jüngere einen kräftigen Zug aus der Flasche genommen hatte, hielt sie mir die Flasche mit der Rechten auffordernd unter die Nase, während sie sich mit der Linken den Rotz aus dem Gesicht wischte. Ich lehnte dankend ab und warf Matti wieder einen flehenden Blick zu.
    Tonlos formte ich die Worte: »Matti, ich will hier weg. Ich kotze gleich.«
    Ungerührt gegenüber meinem sekündlich wachsenden Unmut, lächelte Matti mich nur an. Das hatte eine schwach beruhigende Wirkung auf mich. Inzwischen, vom Baileys gestärkt, riss die Schwiegermutter ihrem Schwiegersohn den Telefonhörer aus der Hand und überzeugte die Mitarbeiterin vom Absterben ihres Gatten oder wahlweise davon, die Männer von der Psychiatrie vorbeizuschicken. Ich war mir da nicht sicher.
    Dann warteten wir auf das Eintreffen des Arztes. Die Damen und der Schwiegersohn widmeten sich ganz dem im Fernsehen

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