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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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aus und sagte: »Merkwürdig.«
    Ich hätte ihm die Tasse über den Schädel ziehen können.
    »Matti, bitte. Ich kann mit so wenigen Worten nichts anfangen. Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Ich sehe nichts Ungewöhnliches in einem gelben Flusen oder auch zweien.«
    Er blies vorsichtig in seinen Kaffee, als hätte er meine Frage nicht gehört. Als er auch noch ein weiteres Stück Zucker in seine Tasse fallen ließ, war klar, dass er ab jetzt nichts mehr sagen würde. Vier Stück Zucker – Matti gesprächsbereit. Alles über sechs Stücke – Matti nicht mehr gesprächsbereit.
    »Ich geh’ nach oben, Papierkram erledigen. Ich bleibe heute länger.«
    Vielleicht könnte er sich doch noch zu einem Gespräch mit mehr Inhalt entschließen, wenn ich ihm etwas Zeit ließ.
    »Hm«, brummte er und griff schon wieder in die Zuckerdose.
    Ich entließ mich selbst aus dieser einseitigen Konversation und widmete mich entschlossen den liegen gebliebenen Rechnungen, Faxen und Goldschnittkarten. Ein bisschen meditatives Eintüten von Trauerpost, ein paar ruhige Minuten an der Frankiermaschine und meine Nerven wären wieder so gut wie neu.
    Egal ob Schmidt, Schmit, Schmitt, Schmitz, Schmiedt oder Schmied.

07
    Um 20.30 Uhr war ich endlich soweit. Alles war fertig vorbereitet: Standesamt, Amtsarzt, Zeitungsanzeigen, korrigiert, gefaxt, gemailt, sämtliche Schmidts und Meyers in allen Schreibweisen sortiert und abgeheftet.
    Ich nahm meine Tasche, und erst jetzt fiel mir auf, dass ich immer noch die grüne Einweg-Plastikschürze umhatte. Bäh! Ich riss mir die Schürze vom Leib, stopfte sie in den Papierkorb und wollte gerade Matti Bescheid sagen, dass ich jetzt weg sei, da klingelte das Telefon.
    »Pietät Sommer, Abendroth am Apparat, was kann ich für Sie tun?«
    Jemand slalommte sich lallend durch einen Satz. Tief Luft holen, Margret.
    »Pietät Sommer, ich kann Sie nicht gut verstehen. Etwas deutlicher bitte.« Der Worteslalom wurde brüllend laut. Ich musste den Hörer vom Ohr wegreißen. Ich brüllte zurück: »Nicht lauter, nur deutlicher.«
    Vorsichtshalber hielt ich den Hörer immer noch auf Abstand.
    »Ej, der Schwiegavatter is abgenippelt. Grade jetz.«
    Wie? Wieso gerade jetzt? Wann denn sonst? Ich habe gerade Feierabend. Stattdessen sagte ich: »Mein Beileid. Wo wohnen Sie?«
    »Ej hier, Mensch, bei meim’ Schwiegavatter. Die Weiber sind inne Kneipe. Ich kuck Fußball, und der alte Sack kratzt einfach ab. Irgendwie.«
    Aha! Beim Fußball ist eigenmächtiges Ableben untersagt, solange der Schiri nicht abgepfiffen hat. Ich enthielt mich vorsorglich eines Kommentars und versuchte, mehr Wissenswertes und Nützliches aus dem angetrunkenen Mann herauszuholen. Hätte ich doch bloß den Anruf nicht angenommen. Es sollte ein Boxkampf über zwölf Runden werden.
    Eine Viertelstunde später stand Matti am oberen Treppenabsatz und lauschte interessiert. Ich hatte das Telefon auf Lautsprecher umgestellt. Das war gesünder für mein Ohr.
    Nach 18 Minuten hatte ich endlich herausgefunden, wo der Tote war, wie der Tote hieß, und mir war klar, dass nur noch Matti und ich übrig waren, um ihn abzuholen. Trainer, werfen Sie bitte das Handtuch!
    Ich erreichte Herrn Sommer auf dem Handy. Er war schon auf dem Rückweg vom holländischen Krematorium und kurz hinter Venlo. In einer Stunde könnte er da sein. Er bat mich inständig, sofort mit Matti zu der angegebenen Adresse zu fahren und die Kundschaft bei Laune zu halten, bis er käme. Selbst er musste begreifen, dass ich mich außerstande fühlte, eine Leiche, von der ich noch nicht wusste, wie schwer sie war und in welchem Stockwerk sie sich befand, mit Matti die Treppe herunterzubugsieren. Der Schwiegersohn würde offensichtlich zu keinen Handreichungen mehr in der Lage sein. Ich malte mir eher aus, dass wir ihn zwar lebend, aber wohl nicht wesentlich ansprechbarer als seinen verblichenen Schwiegervater antreffen würden.
    Es kam alles noch viel schlimmer, als ich mir jemals hätte ausdenken können. Als ich endlich um halb vier Uhr nachts unter meiner Dusche stand, hungrig, fertig – vor allem mit der Menschheit, die, wie mir schien, zu achtzig Prozent aus zahnlosen Teilnehmern allseits bekannter Nachmittagstalkshows bestand –, bekam ich einen Lachkoller.
    Diese Geschichte würde ich wohl niemals in einem Drehbuch verwenden können, weil mir das nie, nie, nie jemand abkaufen würde.
    »Ach du liebe Güte, Frau Abendroth, da ist Ihnen aber mal die Fantasie total durchgegangen,

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