totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
er. »Und jetzt ist die Hauptverdächtige in Ihrem nichtexistenten Fall natürlich Schwester Beate?«
»Ja, warum eigentlich nicht?«, ging ich forsch auf seinen Vorschlag ein.
»Ja, warum eigentlich nicht! Sie wäre nicht die erste Pflegerin, die ein paar Leute ins Jenseits befördert. Aus übersteigertem Mitgefühl oder dem Wunsch heraus, Gott zu spielen, aus purem Stress … Motive gibt es viele.«
»Aber, Herr Kostnitz, was hätte sie davon? Ist sie verrückt?«
»Ganz recht, Frau Abendroth. Jemand, der das tut, könnte komplett verrückt sein. Ich erinnere mich an einige Fälle solcher Art. Fehlgeleitete Nächstenliebe und so weiter.«
Er schaute mich lange durchdringend an. Kostnitz, der Fänger. Wenn ich wirklich was verbrochen hätte, dann wäre es jetzt an der Zeit, mich vor diesem Mann zu fürchten. Ein bisschen konnte ich mir vorstellen, wie er wohl zu seinen besten Zeiten bei der Polizei gewesen war. Vor allem eines: unerbittlich.
»Und noch etwas, Frau Abendroth, Sie als Hobbydetektivin sollten sich das hinter die Ohren schreiben: Mord ist eine schwere Anschuldigung! Menschen, die überall Mord, Verrat und Intrige wittern, die sind auch verrückt.«
Ich schluckte. Der Alte konnte einem ja ordentlich einschenken.
»Ich weiß«, flüsterte ich.
Er hatte ja Recht. Ich zimmerte mir hier was zusammen wie eine schlechte Detektivin im Fernsehen. Typisches Drehbuch von mir. Was wollte ich denn überhaupt? Einen unschuldigen Menschen des Mordes bezichtigen? Schalten Sie auch morgen wieder ein zu: Maggie Abendroth hört die Flöhe husten!
Kostnitz und ich sahen uns über den Wohnzimmertisch hinweg an.
»Herr Kostnitz, Sie sind der Kriminalist«, sagte ich ehrlich zerknirscht.
»Ich war der Kriminalist.«
Er sank auf dem Sofa in sich zusammen und blickte starr nach draußen in den Garten; ein alter Mann mit zu viel Kummer. Die Meisen hatten sich wieder beruhigt und belagerten piepsend den fettigen Futterkringel.
Ich wollte nach Hause, besser jetzt als gleich. Fast hatte ich den rettenden Ausgang erreicht, als ich Kostnitz’ Stimme aus dem Wohnzimmer hörte: »Erika soll ihre Prachtbeerdigung haben. Ich will das so. Sagen Sie das Ihrem komischen Herrn Sommer.«
Ich ging wieder ein paar Schritte zurück.
»Kommen Sie doch morgen ins Büro und besprechen alle Details mit ihm. Und danke, dass Sie sich meinen Unsinn angehört haben.«
Ich bekam keine Antwort mehr. Wahrscheinlich war er wieder eingeschlafen.
Vor dem Haus saß ich noch eine Weile in meinem kalten Auto herum und brütete vor mich hin. Wenn ich an meine – oder sagen wir besser meine und Mattis – Theorie so sehr glaubte, dass ich mich dabei ertappte, in fremder Leute Sachen rumzuwühlen, warum ging ich dann nicht zur Polizei? Die Antwort hatte mir Kostnitz soeben um die Ohren gehauen. Die würden mich bestenfalls auslachen. Ende der Diskussion.
Ich drehte den Zündschlüssel um.
Kostnitz tat mir unendlich Leid und die Prusseliese auch. Und ich, ich tat mir auch ein bisschen Leid.
13
Als ich zu Hause unter der Dusche stand, ließ ich mir das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen. Wollte er gar nicht wissen, wie und woran seine Ehefrau gestorben war? Was, wenn es doch nicht die Grippe war? Wollte Kostnitz, dass alles einfach nur endlich vorbei sein sollte? Und sollte ich lieber auf ihn hören, meine Fantasie im Zaum halten und ein bisschen realistischer werden?
Ich stellte mir vor, wie er nach der Beerdigung ins Cognacland verschwindet. Und dann, eines Tages, wahrscheinlich sogar sehr bald, wenn seine Leber sich für immer verabschiedet hatte, würde er wieder bei Pietät Sommer vorbeischauen. Und zwar mit den Füßen voran. Wie unsagbar traurig. Aber, sagte ich zu mir selbst, Maggie Abendroth, bist du nicht auch ein trauriges Modell? Ziehst dich an Vermutungen hoch und lässt dich durch vage Äußerungen eines undurchsichtigen Finnen dazu hinreißen, wildfremde Leute des Mordes zu beschuldigen. Reiß dich mal zusammen!
Ich drehte die Dusche ab, wickelte mich in mein Badetuch, setzte mich aufs Bett und schaute den Rauchschwaden meiner Zigarette hinterher.
Ich erschrak fast zu Tode, als es an mein Fenster klopfte. Dr. Thoma klopfte für gewöhnlich nicht, er miaute. Unnötigerweise ging ich auf Zehenspitzen hin. Die Souterrainwohnung war sozusagen uneinsteigbar, weil vor dem einzigen Fenster ein massives schmiedeeisernes Gitter angebracht war. Niemand konnte mir was tun, es sei denn, es handelte sich um einen Angriff mit
Weitere Kostenlose Bücher