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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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und riss mit einem Ruck die Tür auf. Sie gab ein schmatzendes Geräusch von sich, und 30 Zentimeter Gummidichtung baumelten im Rahmen.
    Ungeschickt versuchte ich, die Gummiwurst wieder in den Türrahmen zurückzustopfen. Zu guter Letzt riss ich sie wütend ganz ab, stieg ein und startete den Motor.
    Ich gönnte mir fünf Minuten, um den Wagen warmlaufen zu lassen und las derweil Blaschkes Brief. Seine Botschaft lautete: »Die Flusen sind alle vom selben Stoff, gelb, 50 % Angora, 50 % Polyacryl. Keine Hinweise auf Fragmente von Daunen oder anderen Füllstoffen.« Um das festzustellen, hatte Wilma kein Kriminallabor gebraucht. Ich las weiter: »An allen Fasern sind zusätzliche Faserreste von Kaschmir, die nicht aus den Kissen stammen; außerdem noch weiße Baumwolle. Verschiedene Haare, alle grau oder gefärbt. Bei der Probe ‚Kostnitz‘ sind zusätzlich Fasern einer blauen Schurwolle entdeckt worden.« Die Tabakkrümel, am ehesten der Marke Gauloises Blau, davon gehe er aus, seien wohl eine Verunreinigung meinerseits, da ich die Probe unsachgemäß verpackt hatte.
    Na, das half mir jetzt aber enorm weiter. Blaschke schrieb weiter, er habe das Kissen, das bei Kostnitz noch rumlag, auch ins Labor gegeben. In der flauschigen Hülle hatten die Kriminaltechniker ein winziges Stück von einem abgebrochenen Fingernagel, der eindeutig Frau Kostnitz zuzuordnen war, gefunden. Der Nagellack stimmte mit dem überein, der in ihrem Bad gestanden hatte. Eines habe den Kriminaltechniker allerdings irritiert: Die Kissenfüllung steckte noch in einer Plastikfolie. Wahrscheinlich ein Fabrikationsfehler bei der Endfertigung, also beim Stopfen der Kissen. Man hatte einfach vergessen, es zu entfernen. Er wünschte mir noch frohe Weihnachten.
    Na danke. Da waren die beiden großen Kriminologen aber fleißig gewesen. Warum hatte er nicht angeschellt? Blöde Frage. Weil er wahrscheinlich auch den Weihnachtsblues hatte. Und seit wann verzierte die Polizei ihre Post mit Weihnachtsengeln? Kriegte man ab Dezember mit einem Haftbefehl vielleicht auch wahlweise einen Adventskalender mitgeliefert?
    Bei Pietät Sommer war es (Vorsicht, Killerjoke!) totenstill. Niemand wollte vor der Bescherung noch versterben, bis auf einen gewissen Herrn Königsbacher, 89 Jahre alt, friedlich verschieden beim Christstollen-Essen im Kreise seiner lieben Familie. Herrn Königsbacher würden wir erst nach Weihnachten bestatten. So viel, oder so wenig, bekam ich aus Herrn Matti heraus. Der war heute noch einsilbiger als sonst, geradezu nullsilbig, falls das überhaupt möglich war. Er nahm höflich seinen Kaffee von mir entgegen, mehr aber auch nicht. Vielleicht schämte er sich, weil er mir seine Geheimnisse anvertraut hatte. Wahrscheinlicher aber war, dass er bei unserem gestrigen Gespräch so viele Worte verbraucht hatte, dass bis zum Herbst nächsten Jahres sein Worte-Budget erschöpft war.
    Sommer ging Matti geflissentlich aus dem Weg. Wie es schien, hatten die beiden keinen Weihnachtskompromiss gefunden. Ich wollte Herrn Matti nicht direkt fragen, wie die Diskussion über seinen Urlaub ausgegangen war. Ich dachte mir, es könnte ihm peinlich sein. Der Tag plätscherte also mehr oder weniger ereignislos dahin. Sommer verschwand für Stunden im Lager, um für die Inventur Särge zu zählen, und Matti kam nicht aus dem Keller, weil er Herrn Königsbacher einbalsamierte. Ich genoss die Ruhe in der oberen Etage und schaute die Weihnachtspost durch. Ja, auch Bestatter schicken sich Grußkarten, auf denen »Viel Erfolg im nächsten Jahr« steht.
    Der Kugelfisch hatte sein Jackett über der Stuhllehne hängen lassen. Ich schaute mir das Etikett in der Jacke an. Schurwolle. Nun ja, die allermeisten Winteranzüge für Herren waren wohl aus Schurwolle.
    Bevor ich das Haus heute Morgen verlassen hatte, hatte ich mir telefonisch einen Termin bei der Versicherung Leben & Gesundheit geben lassen. Dieselbe Versicherung, bei der Bartholomae seine Klientel versicherte. Ich hatte dem netten Sachbearbeiter erklärt, eine Sterbeversicherung abschließen zu wollen, weil mein Chef, Herr Sommer – ich betonte das besonders –, mir dazu geraten hätte. Herr Schiller war ganz Ohr und gerne bereit, mich in der Mittagszeit zu empfangen.
    Ich fuhr eine Haltestelle mit dem Bus, trank bei Herrn Schiller drei Tassen Kaffee, Marke Herztod, und war bei meiner Rückkehr zu Pietät Sommer rundum informiert und stolze Besitzerin eines Versicherungsvertrages über 25.000 Mark, wofür ich

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