totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Mitternacht in Trinidad und wir beide träumen. Bauen uns ein Himmelbett unter Mangobäumen. Mitternacht in Trinidad. Tanzen in den Morgen. Diese Südseemelodie vergisst man nie.
Am nächsten Morgen stellte sich mir die Frage, wie ich Herrn Sommer jetzt begegnen sollte. Wie begrüßt man einen Chef, den man für ein kriminelles Subjekt hält?
Ich musste die Probe aufs Exempel nicht machen. Auf dem Anrufbeantworter hatte er eine Nachricht für mich hinterlassen: Heimsuchung des Büros durch den Chef erst gegen 17.30 Uhr, und das Flippers-Problem sei auch gelöst.
Wie toll, dass er mich wieder daran erinnert hatte. Um ja nicht wieder an den Refrain denken zu müssen, ging ich stracks nach unten zu Matti. Ich brachte ihn gerade eben dazu, guten Tag zu sagen, und zu einem Kaffee musste ich ihn regelrecht nötigen. Es wollte sich einfach kein Gespräch zwischen uns entwickeln. Ich hätte zu gerne gewusst, was in dem Finnen vor sich ging. Aber er ließ mir keine Chance, danach zu fragen. Als wir den Kaffee schweigend ausgetrunken hatten, ging ich wieder nach oben. Aus dem Aufbahrungsraum 2, in dem Herr Königsbacher lag, hörte ich leise die Flippers dudeln.
Endlich hatte ich alles, was noch auf meinem Schreibtisch gelegen hatte, erledigt und abgeheftet. Ich hätte jetzt nach Hause gehen können. Tat ich aber nicht, sondern ich fragte Matti, ob er auch Feierabend macht. Herr Matti verneinte mürrisch und blieb im Keller sitzen.
Weil ich oben die Türglocke hörte, konnte ich leider nicht weiter auf seinen Missmut eingehen. Ich wünschte ihm aber noch ein frohes Fest, überreichte ihm einen kleinen Stollen, den ich am Morgen in meiner Lieblingsbäckerei für ihn erstanden hatte und stiefelte wieder nach oben. Dort wartete der pitschnasse Kajo Kostnitz auf seinen Lohn. Er hatte beide Trauerfeiern mit Bravour begleitet. Sommer war wohl gleichzeitig mit ihm angekommen und lief irgendwie kopflos im Büro hin und her. Er suchte nach einem Quittungsblock, der ganz offensichtlich direkt vor seiner Nase lag.
Ich wollte mich schleunigst aus dem Staub machen, aber Sommer bat mich, noch einen Moment zu warten, er habe da noch eine kleine Aufmerksamkeit. Zu Weihnachten sozusagen. Hoffentlich keine Sterbeversicherung mit Vorsorgeplan, knirschte ich innerlich. Sommer zahlte zuerst Kajo das Geld aus. Er zählte es dreimal nach und dann noch einmal, als er es Kajo in die Hand drückte. Ohne einen Blick darauf zu werfen, steckte Kajo das Geld in seine Jackentasche. Dann holte Sommer ein eingewickeltes Etwas aus einer Plastiktüte hervor und stellte es auf meinen Schreibtisch.
»Wollten Sie nicht gerade gehen, Herr Kostnitz?«, sagte Sommer zu Kajo.
Aber Kajo stellte sich interessiert neben meinen Schreibtisch und sagte: »Nein, ein bisschen Zeit habe ich noch.«
Ich packte es aus. Und da war es: Das Grauen in Tüten, die dritte Specksteinstatue. Ebenso hässlich wie die, die noch immer nicht vom Safe gefallen war und noch hässlicher als die, die auf der alten Orgel stand. Ich bemühte meine ganze Fantasie, um herauszufinden, was der gequälte Stein darstellen sollte. Es handelte sich um ein Ding mit einem Loch im Bauch.
»Wie interessant, machen Sie die selbst?« Ich steckte meinen Finger durch das Loch. Kajo grinste.
Herr Sommer strahlte über das ganze Gesicht.
»Es freut mich, dass sie Ihnen gefällt. Ich wusste, dass Sie sich dafür interessieren, weil Sie die anderen Exponate immer sehr interessiert betrachtet haben. Ich hätte Ihnen gerne eine von denen geschenkt, aber sie gehören zu einer Serie, wissen Sie. Diese hier …«, er warf wieder einen stolzen Blick auf den unförmigen Klotz, »… steht für sich. Verstehen Sie.«
Ich verstand, ehrlich gesagt, gar nichts und nickte nur zu seinen Ausführungen.
Dass sie mir gefällt, hatte ich nie gesagt! Aber angestarrt hatte ich die Dinger, da lag Sommer ganz richtig. Hätte er nur gewusst, warum, hätte er sein Kunstwerk bestimmt nicht mir ausgeliefert, der Specksteinstatuenhasserin par excellence.
Ich verließ, so rasch es die Höflichkeit erlaubte, das Büro, unterm Arm meine Sommersche Statue »Kugelfisch mit Loch« und setzte mich ins Auto. Wie sollte ich das Ding jetzt bloß wieder loswerden? Ich könnte die Figur als Türstopper für die Tür zur Waschküche benutzen. Wenn ich die Tür immer ordentlich dagegen krachen lasse, lebt sie nicht mehr lange …
Kajo Kostnitz klopfte an die Scheibe. Er saß auf seinem Fahrrad. Ich kurbelte die Scheibe herunter,
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