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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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meinem Vater in Kontakt. Sie kannten ihn ja schon jahrelang. Und von Irene hielten sie nicht viel, wie ich bereits erwähnte.” Madeline nahm eine Hand vom Lenkrad und drehte eine Locke um ihren Finger. “Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht mal entsinnen, dass sie so etwas wie eine beste Freundin gehabt hätte.”
    Selbst wenn sie nicht an der Unterlippe knabberte, strahlte sie etwas Faszinierendes auf ihn aus. Hunter fühlte sich, als fordere er mit jedem Blick das Unheil regelrecht heraus. Schnell schaute er wieder auf die Straße vor ihnen. “Dann war sie wohl ziemlich isoliert.”
    “Ich glaube vielmehr, sie war heilfroh, dass ihre Kinder etwas zu essen und anzuziehen hatten. Wäre sie meinem Vater nicht begegnet – durchaus möglich, dass das Jugendamt ihr die Kleinen weggenommen hätte.”
    Eine 32-jährige Frau, die ihre Familie zusammenhalten wollte, hätte vermutlich jeden genommen, der ihr die nötige Sicherheit bot. Offensichtlich war Irene Montgomery von Barker abhängig gewesen – aber hatte sie ihn auch geliebt? “Und Ihr Vater?”, fragte er.
    “Was ist mit dem?”
    “Könnte es sein, dass er eine Affäre hatte?”
    “Mein Vater war der Gemeindepfarrer!”
    “Er wäre nicht der erste fromme Mann, der sich versündigt.”
    Sie schüttelte den Kopf. “Unzucht war ihm ein Gräuel, Ehebruch ganz besonders. Er nannte ihn die schlimmste aller Sünden.”
    Hunter hatte das Gefühl, als habe sie ihm soeben ein Brandzeichen auf die Brust gepresst, womöglich noch ein glühendes “A”, bei den strengen Puritanern das Stigma für Ehebruch. Auch er glaubte an die Heiligkeit der Ehe. Genau deswegen konnte er sich ja selbst seinen Fehltritt nicht verzeihen. Vielleicht hätten er und Antoinette es sowieso nicht geschafft; sie hatten ja beide ihren Beitrag zu den wachsenden Problemen geleistet. Er selbst war bereits Monate vor dem “Vorfall” ins Gästezimmer umgezogen. Trotzdem galt das nicht als Entschuldigung für seinen Fehltritt. Er hätte seine Ehe zuerst beenden müssen. Doch er war sich damals seiner Grenzen gar nicht bewusst gewesen.
    “Mein Vater lehrte immer, die Keuschheit sei die größten Opfer wert”, fügte Madeline hinzu.
    “War sicher nicht einfach, im Schatten eines so strengen Vaters aufzuwachsen?”
    “Wieso?”, fragte sie.
    “Haben Sie denn alle Regeln beherzigen können? Waren Sie nie … wie soll ich sagen … in Versuchung?”
    “Doch natürlich.” Sie hob die Schultern. “Dennoch konnte ich mich beherrschen. Ziemlich lange sogar.”
    Madelines Sexleben hatte zwar nicht das Geringste mit dem aufzuklärenden Fall zu tun, brachte ihm aber sein eigenes schlagartig wieder in Erinnerung. Die räumliche Enge des Kleinwagens, kombiniert mit der Dunkelheit und dem beständigen Trommeln des Regens, erzeugte eine derart intime Atmosphäre, dass einem eine solche Frage wie von selber über die Lippen kam. “Ziemliche lange? Was heißt das?”
    “Bis es mit Kirk losging.”
    “Der immer noch ihr aktueller Freund ist?”, fragte er, ziemlich beeindruckt.
    “So was Ähnliches”, nuschelte sie.
    “Das heißt, als Sie die Unschuld verloren, da waren Sie … warten Sie mal … vierunddreißig?”
    “Zweiunddreißig.”
    “Alle Achtung!” Er mochte es kaum glauben. Offenbar hatten die Lehren des Reverend ihre Wirkung nicht verfehlt.
    “Ich weiß”, räumte sie ein. “Klingt nach einem ziemlichen Spätzünder.”
    “Ziemlich?”, sagte er mit leicht ironischem Unterton.
    “Stillwater ist eben nicht L.A.” Sie klang etwas pikiert. “Wir sind eben … eben konservativ.”
    “Das sagten Sie bereits. Nur …” – er stieß einen leisen Pfiff aus – “… was hat Sie dazu veranlasst, so lange zu warten?”
    “Ich hoffte halt auf den Richtigen.”
    “Und der ließ sich so lange Zeit? Eine Schande!”
    “Sie sagen es. Ich glaube, das war mir damals auch schon bewusst. Ich war das Warten einfach leid, wollte einfach wissen, wo ich stehe.”
    “Hat es Ihnen denn gefallen?” Die Frage konnte er sich nicht verkneifen.
    Sie verzog die Lippen zu einem koketten Lächeln. “Gefallen? Was jetzt?”, fragte sie mit gespielter Unschuld.
    “Sie wissen schon, was.”
    “Was glauben Sie denn?”
    Angesichts ihres rauchigen Tonfalls spürte er ein Flattern im Bauch. Erstaunlicherweise, denn dieses Gefühl kannte er schon lange vor seiner Scheidung nicht mehr. Und gegenwärtig war es ihm höchst unwillkommen, wurde es doch ausgelöst von einer Frau, die bereits vergeben war.

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