Totgeschwiegen (Bellosguardo)
Lorena. Jung, blond, vollbusig mit Beinen bis zum Himmel. Witzig und aufgeschlossen war sie außerdem. Schnell lebte sie sich bei ihnen in ihrer Penthouse Wohnung ein und fühlte sich heimisch. So heimisch, dass sie sich nicht nur wie selbstverständlich auch mal an Isabelles Kleiderschrank bediente, nein, auch vor Marc machte sie keinen Halt. Isabelle bemerkte von letzterem allerdings lange nichts. Naiv wie sie war, kam ihr der Gedanke, dass ihr Mann ein Verhältnis mit dem Kindermädchen haben könnte, überhaupt nicht in den Sinn. Erst als Lorena schwanger wurde, platzte die Bombe und ihre Ehe zerbrach in nicht kittbare Einzelteile. Marc und Lorena blieben wie selbstverständlich in der Wohnung, während Isabelle sich mit Constantin eine neue Bleibe suchen musste.
Marc war zwar ein Schwein, setzte seine Frau und seinen Sohn aber nicht mittellos vor die Tür. Die Abfindung, die sie von ihm erhielt, linderte zwar nicht ihren Schmerz, ermöglichte es ihr aber, finanziell sorgenfrei zu leben. In der alten Villa, in der ihre Mutter wohnte, stand, wie durch eine glückliche Fügung, eine schöne große Altbauwohnung mit vier Zimmern zum Verkauf und so hatte sie neben einem neuen Zuhause auch noch ihre Mutter in ihrer Nähe. Da sie sich um das Geldverdienen keine großen Gedanken machen musste, begann sie ihrer Leidenschaft des Schreibens nachzugehen. Mit der Zeit fand sie sogar einen Verlag und über die Jahre veröffentlichte sie schließlich 20 Romane. Ihre Bücher waren dem Genre nach sogenannte Frauenromane. Ihre ersten Werke handelten so gut wie ausschließlich von betrogenen und verlassenen Ehefrauen. Auf diese Weise schrieb sie sich ihren ganzen Schmerz von der Seele und dazu war es ein Thema, das sich gut verkaufen lies.
Gelegentlich ging sie mit Männern aus. Aber eine wirklich feste Bindung wagte sie über Jahre nicht mehr einzugehen. Im Mittelpunkt ihres Lebens standen für viele Jahre Constantin, ihre Mutter und ein paar gute Freundinnen.
Dann traf sie eines Tages John. Und zum ersten Mal seit langer Zeit war sie wieder richtig verliebt. John lebte in London, hatte aber beruflich drei Tage die Woche in Hamburg zu tun. Er war ein ehrgeiziger und erfolgreicher Unternehmer. Seine Wohnung in London war eine typische schicke Junggesellenwohnung, er fuhr einen Porsche und sah dazu mit seinem leicht kupferschimmernden Haar, den stechenden grünen Augen und einem durchtrainierten Körper, blendend aus. Das Einzige, was ihr an ihm schon damals merkwürdig vorkam, war die Tatsache, dass er manchmal tagelang nicht erreichbar war. Er begründete das damit, dass er seine Freiheit brauche und sich nicht fest binden könne.
„Hast du in London noch ein paar Freundinnen?“, fragte sie ihn mehrfach halb im Scherz und halb im Ernst.
„Nein, mein Darling. Du bist meine einzige Freundin“, beteuerte er immer wieder.
Und das war wahrscheinlich auch gar nicht g elogen. Der wahre Grund für seine Unerreichbarkeit kam erst ans Licht, als Isabelle schwanger wurde. Zugeben, sie hatte es nicht mit ihm abgesprochen. Sie hatte in einem totalen Anfall von Bindungsbedürfnis und der Sehnsucht nach einem weiteren Kind, sich die Spirale ziehen lassen.
„Wie konntest du mir nur ein Kind anhängen? Nie habe ich gesagt, dass ich mit dir eine Familie gründen will. So etwas habe ich schon zuhause.“
Wie sich dann herausstellte, lebte er mit seiner Frau und seinen zwei entzückenden Söhnen, die Isabelle dann auch gleich auf einem Foto begutachten konnte, etwas außerhalb von London.
Nie würde Isabelle diesen Moment vergessen können. Es war ein Gefühl, als ob sich ein Kübel Eiswasser über ihr erg ossen hatte.
Johns Frau, Joanne, wusste wahrscheinlich bis heute nichts von seiner Junggesellenwohnung in Notting Hill und mit ziemlicher Sicherheit auch nichts von Sophia.
Wenn Isabelle gewusst hätte, dass John verheiratet war, wäre sie niemals von ihm schwanger geworden. In ihren Augen waren Geliebte, die sich in eine Ehe mit Kindern drängen, die letzten Schlampen. Und mit einem Mal hatte sie sich selbst zu einer Schlampe degradiert.
Sie wollte mit diesem Mann nie wieder etwas zu tun haben, was auf Gegenseitigkeit beruhte. John überwies ihr ein Schweigegeld. Die Summe war überaus großzügig, das wusste Isabelle. Mit dem Geld könnte Sophia später problemlos ihre Ausbildung finanzieren. Aber natürlich erwartete er auch eine Gegenleistung für diese Zuwendung. Sie bestand darin, seine Vaterschaft für immer und ewig geheim
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