Totgeschwiegen (Bellosguardo)
mehr. Allmählich bildete sich ein kleiner Pulk.
Die Frauen musterten sie kritisch, während die Männer ihr aufmunternd zuzwinkerten. Hin und wieder hörte sie die Namen Anna und Maya fallen und ihren eigenen zusammen mit der Erklärung „mia moglie“ – sollte das Frau oder Freundin heißen?
Isabelle kam sich vor, als ob ihr Lächeln in ihrem Gesicht eingefroren wäre. Aber was sollte sie denn anderes tun, als freundlich nicken und lächeln?
Und dann kam schließlich die Erlösung. Giulietta bahnte sich den Weg zu ihrem Tisch und stellte eine große Karaffe Wasser und eine Flasche Rotwein ab.
Die anderen verstanden das als Zeichen sich zu entfernen und Isabelle konnte nicht anders, als erleichtert aufatmen.
Nachdem Giulietta den Rotwein und das Wasser in den Gläsern verteilt hatte, zog sie sich zurück und Isabelle und Alexander waren zum ersten Mal, seit Betreten der Trattoria, unter sich. Vorsichtig blickte sich Isabelle um. Würden die anderen Gäste sie beobachten? Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass jeder wieder mit seinen ursprünglichen Gesprächen beschäftigt war.
„So, mein Schatz, jetzt hast du die gesamte Familie Ferrara und die Stammkundschaft auf einen Schlag kennengelernt.“ Alexander nahm sein Glas Rotwein und prostete ihr gutgelaunt zu.
„Ich habe kein Wort verstanden, Alexander. Ich dachte ja immer, ich könnte ein wenig Italienisch, aber hier habe ich nur einzelne Wortfetzen verstanden.“
„Das ist auch kein Wunder, denn das war gerade toskanisch. Wie jeder Dialekt - nicht so einfach zu verstehen.“ Völlig entspannt saß er vor ihr und genoss seinen Wein.
„Und über was habt ihr so geredet?“
„Ach, die haben nach Maya und Anna gefragt und natürlich wollten sie alle wissen, wer du bist.“
„Und was hast du gesagt?“
„Dass du meine Frau bist, was denn sonst?“, fragte Alexander jetzt verwundert.
„Und was haben die dazu gesagt?“
„Sie freuen sich für mich. Sie wollen, dass ich wieder glücklich bin. Gerade Giulietta hatte mir immer wieder gesagt, dass es nicht gut für mich wäre, allein zu sein.“
„Kannten sie Katharina gut?“
„Aber ja doch. Katharina und ich waren sehr häufig hier. Sie waren alle zutiefst erschüttert, als sie von ihrem Tod erfuhren.“
„Denkst du nicht, dass sie mich besonders kritisch begutachten? Es kam mir jedenfalls so vor. Besonders die Frauen ...“
„Ach was, mein Schatz, mach dir darüber keine Gedanken. Das sind alles ganz liebe Menschen. Die werden dich ganz schnell in ihr Herz schließen.“ Alexander griff nach ihrer Hand und drückte sie ganz fest.
„Und was werden wir heute Abend essen?“
„Lass dich überraschen, ich habe unser Lieblingsessen bestellt.“
„Unser?“
„Ja, ähm, nein. Mein Lieblingsessen.“
Hatte er sie gerade mit Katharina verwechselt oder war ihm dieses „ unser“ nur aus alter Gewohnheit rausgerutscht?
Der Rest des Abends verlief entspannt. Sie sprachen über das bevorstehende Weihnachtsfest und einigten sich darauf, alle alten Traditionen über Bord zu werfen und etwas ganz Neues auszuprobieren.
„Wir kaufen einen Weihnachtsbaum im Topf und kochen ein italienisches Menu, was hältst du davon? Den Baum können wir dann später im Garten einpflanzen - als Erinnerung an unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest.“ Isabelle war spontan die Idee gekommen, dass sie mit einem gepflanzten Baum ein Zeichen setzen würde, dass sie jetzt zu Alexanders Leben gehörte.
Aber eigentlich mag ich doch keine kleinen Weihnachtsbäume im Topf. Will ich damit nur meine Position gegenüber seiner toten Frau deutlich machen? Das ist gestört. Katharina ist doch nicht meine Konkurrentin.
Sie merkte, wie sie bei diesen Überlegungen die Stirn runzelte. Alexander schien das zum Glück nicht aufgefallen zu sein. Leicht abwesend murmelte er:
„Sicher, mein Schatz.“ Dabei lächelte er sie an, aber sie beschlich das Gefühl, dass er gerade ganz woanders war.
„Woran denkst du?“
„Ach, ich musste gerade an das letzte gemeinsame Weihnachten mit Katharina denken. Das haben wir auch hier gefeiert. Normalerweise waren wir immer in München, aber in dem Jahr hatte Katharina darauf bestanden, hier zu feiern.“ Alexander schüttelte den Kopf und murmelte leise vor sich hin: „Es ging ihr schlecht und ich habe nicht gemerkt, wie schlecht.“
„War Katharina krank? Ich dachte, sie wäre an den Folgen eines Autounfalls gestorben?“, fragte Isabelle verwirrt.
„Ähm nein, sie war nicht
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