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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alkestis Sabbas
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genießt. Als ob er Bestätigung dieser Art
nötig hätte. Sein jahrelanger Erfolg gibt ihm Recht. Um sein restliches Ego
kümmern sich einige Damen diesseits der Zwanzig.
    Schmid spürt,
wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Die Wahnsinnigen rundum
finden diesen Plan tatsächlich gut. Ist denen überhaupt klar, was das bedeutet?
Denn neben der Tatsache, dass da ein Einzelner mit einem vermutlich viel zu
kurzen Schwanz eben mal die Weltherrschaft an sich reißen will, geht es um
persönliche Schicksale. Johann muss unwillkürlich an Familie Gross denken. Man
hat ihnen Versprechungen von rascher Genesung, einem sagenhaften Einkommen und
einer besseren Welt gemacht. Man hat ihnen erzählt, dass das Glück der Familie
und der ganzen Nation in Friedrichs Händen läge. Dann hat man ihn vollständig
isoliert, damit nichts und niemand ihn beeinflussen kann. Und schließlich hat
man Friedrich Gross, Ehemann und Vater, mit Felix Austriacus bekannt
gemacht und ihn seiner Seele beraubt. Eine Frau hat ihren Gatten verloren und
ein Mädchen seinen Papa. Aber das System hat ein neues Rädchen gewonnen,
welches das Getriebe am Laufen hält. Das Getriebe einer Höllenmaschine, wie
Johann immer mehr bewusst wird. Wobei – das Vehikel selbst leistet
grundsätzlich gute Dienste. Nur das gegenwärtige Navigationssystem verrechnet
sich konsequent.
    „… darf ich? Herr Schmid? Ist er soweit? Kann ich das
Update machen? Ihren Protokollen entnehme ich, dass Ihr AO unverhältnismäßig
oft Mängel im Bereich der Sozialkompetenzen im Allgemeinen und der physischen
Verhaltensweisen im Besonderen zeigt. Wollte er auch jemanden aus seiner
Familie vernaschen? Beutler da drüben werden wir deswegen wahrscheinlich
eliminieren müssen. Er hat seiner Schwiegertochter in die rechte Brust
gebissen. Zum Glück hat die Ärmste Implantate. Silikon schmeckt den Kalten
nicht.“
    Die Kalten. Das ist neu. Man hat den
Außerordentlichen schon viele Namen gegeben. Die Erloschenen. Die Hades-Söhne.
Die Hirnwanderer. Keine dieser Bezeichnungen bringt es wirklich auf den Punkt.
Aber wie nennt man ein Wesen, das rein instinktiv handelt? Wie bezeichnet man
jene, die ohne jegliches Gefühl agieren? Wie charakterisiert man jemanden,
dessen Kernkompetenz darin besteht, tot zu sein? WWF würde sagen: Tier.
Beziehungsgeschädigte würden sagen: Ehepartner.
    Pessimisten würden sagen: ich.
    „Außerordentliche“
ist die politisch korrekte Bezeichnung und das ist etwas zu gut gemeint.
Gesellschaftlich anerkannte Ausdrücke sind nur dann sinnvoll, wenn es eine
Gesellschaft gibt, die sie anerkennen kann. Das ist hier nicht der Fall. Nur
ein kleiner Kreis Auserwählter weiß Bescheid. Die gesamte Scharade wäre
schließlich hinfällig, wenn alle Österreicher wissen dürften, was es mit den
Außerordentlichen auf sich hat. Dass es sie in dieser Form überhaupt gibt.
Natürlich darf man nicht zu streng sein: In einigen Ländern gibt es ziemlich
herzlose Befehlshaber. In anderen verfügen jene, die etwas zu sagen haben, über
recht wenig Hirn. In manchen Staaten wird der Herrscher aufgrund veralteter
Erbfolgeregelungen im Stubenwagen zum Thron gefahren. Alles nicht so
wünschenswerte Systeme. Dennoch wäre das österreichische Volk nicht amüsiert,
wüsste es den wahren Grund für den herrschenden Wohlstand. Niemand überlässt
weitreichende Entscheidungen in Politik, Ökonomie oder Wissenschaft gerne einem
Haufen partiell reanimierter Kadaver.
    Vorsichtig schiebt der junge Techniker eine lange
Nadel in Friedrichs Ohr und presst die bläuliche Lösung aus der Spritze. Es ist
eine höhere Dosis als sonst. Gross ist eben nicht mehr der Jüngste. Eigentlich
ist er sogar einer der Dienstältesten. Johann zuckt zusammen, als der Laborant
mit feiner Klinge und erbarmungsloser Rohheit einen L-förmigen Schnitt im
Nacken unter Friedrichs Haaransatz macht. Er wendet angewidert seinen Blick ab,
während der Mann grob die Haut zu Seite klappt und am blanken Schädel
herumtastet. Daran kann sich Schmid selbst nach all den Jahren nicht gewöhnen.
Im Gegensatz zu Friedrich. Der zuckt nicht einmal mit der Wimper. Schön, er ist
von Natur aus nicht mehr besonders schmerzempfindlich. Aber wenn einem jemand
im Kopf herumspukt, wäre unter normalen Umständen eine kleine Reaktion durchaus
verständlich.
    Hier herrschen jedoch keine normalen Umstände. Also
blickt Friedrich beinahe schon nachsichtig in die Runde und wackelt fröhlich
mit den Ohren, während der Techniker ihm

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