Totsein ist Talentsache (German Edition)
Außerordentlichen auf, kramt eine Weile im Inneren herum und
widmet sich letztendlich der Neuprogrammierung. Die erfahreneren Sekundanten
stehen plaudernd herum oder laden pädagogisch wertlose und politisch inkorrekte
Hintergrundbilder für ihre neuen AO-Pads herunter.
Die
dienstjüngeren wiederum freuen sich wie Kinder über ein endlich repariertes
Lieblingsspielzeug. Ein dicklicher Assistent klatscht begeistert in die Hände
und hüpft wie ein Gummiball auf und ab, während sein AO andächtig versucht,
seine eigene Nasenspitze mit der Zunge zu berühren. Gleich daneben zückt ein
anderer Sekundant sein Schminktäschchen und verwandelt den
Verteidigungsminister in eine LSD-Vision von Klimts Goldener Adele . Eva
Hirtl blickt nur besorgt und streicht ihre Klara liebevoll von oben bis unten
mit Glitzerklebstoff ein. Ob aus Angst vor dem Verlust weiterer Extremitäten
oder aus Lust am Kleben per se, ist nicht erkennbar. Einige Assistenten
beschränken sich darauf, ihren AOs den Kopf zu tätscheln und sie mit Leckerlis
in Form von frischen Regenwürmern fürs Stillsitzen zu belohnen.
Ein schnaubendes Grunzen reißt Johann aus seinen
Betrachtungen. Friedrich ist reaktiviert und voll einsatzfähig. Johann
betrachtet seinen Schützling: Die Augen wirken wacher und auch Friedrichs
Haltung signalisiert, dass hier ein Mann sitzt, dessen Einstellung sich
grundlegend geändert hat. Wenn auch nicht aus eigenem Antrieb. Langsam lässt
der erfolgreichste Banker der jüngeren Geschichte seinen Blick durch den Saal
wandern und spielt dabei mit seinen Fingern. Dann erhebt er sich und verbeugt
sich vor dem Buchsbaum, der neben seinem Stuhl steht.
Nun kann auch
Johann einen gewissen Stolz nicht unterdrücken. Seit zehn Jahren begleitet und
betreut er Gross nun schon. In guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und
Gesundheit, seit der Tod sie geschieden hat. Aber so lebhaft hat er seinen AO
noch nie erlebt. Nicht einmal, als Friedrich – unter den gegebenen Umständen –
körperlich und geistig noch relativ frisch gewesen ist. Das sind schon
Teufelskerle, diese Techniker von Felix Austriacus . Mit wenigen
Handgriffen und ein bisschen elektronischem Schnickschnack schaffen sie es,
eine nur mehr schwer kontrollierbare Bestie wieder in ein manierliches
Schoßhündchen zu verwandeln.
Erneut tritt Siegfried Wust zum Rednerpult und klopft
aufs Mikrophon. Als das schrille Pfeifen der Rückkoppelung verhallt ist,
erklärt er: „Werte Anwesende, wie die meisten von Ihnen bereits festgestellt
haben, sind die Geistlosen … Verzeihung, Ihre Außerordentlichen einer
gründlichen Auffrischung unterzogen worden. Details über die erweiterten
Fähigkeiten entnehmen Sie bitte der neuen Bedienungsanleitung, die beim Ausgang
für Sie bereitliegt. Hier die wichtigsten Funktionen in Kürze: Jeder AO ist so
umprogrammiert worden, dass seine intellektuellen Instinkte nun noch stärker
sind als seine fundamentalen. Die Außerordentlichen geben also nur mehr als
Reaktion auf eine entsprechende Eingabe Ihrerseits ihren – nun ja –
körperlichen Bedürfnissen nach. Hunger haben die AOs bekanntermaßen sowieso
keinen. Aber die Forderung nach Frischfleisch ist nun auf ein Minimum
reduziert. Sie werden kaum mehr daran denken, auf die Jagd zu gehen. Daher
besteht keine direkte Bedrohung mehr im Falle einer technischen Dysfunktion.“
Wie langweilig. Das ist für die meisten immer der
spannende Teil des Jobs gewesen: Wer ist das nächste Opfer? Wie stellen sie es
an? Und genießen sie es oder lassen sie ihrer hemmungslosen Gier freien Lauf?
Gut, innerhalb der Familie und im persönlichen Umfeld sind solche Aktionen eher
unpopulär gewesen. Das muss man schon eingestehen. Aber um das zu verhindern,
gibt es ja die Assistenten.
„Neben der
Neugestaltung der elektronischen Funktionskontrolle gibt es weiterhin eine
medikamentöse Behandlung, die halbjährlich erfolgt und ausschließlich in
unserem Institut stattfinden darf. Sie dient bis auf Weiteres noch als
Unterstützung der Steuerung. Wir arbeiten laufend an Updates. Dennoch
beschränken sich Programmierung und Sensibilisierung für die nächste Zeit ausschließlich
auf Mitarbeiter und Familienmitglieder.“ Na Gott sei Dank. Janus hat ihnen
nicht den ganzen Spaß verdorben. Weder den AOs noch den Sekundanten.
„Werte Anwesende, treue Helfer! Ein weiteres
erfolgreiches Treffen neigt sich dem Ende zu. Denken Sie daran, vor dem
Verlassen des Anwesens die Anleitung und Ihren Bonusscheck mitzunehmen.
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