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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alkestis Sabbas
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die Gehirnwindungen massiert.
    „Ah, da haben wir´s ja! Kein Wunder, dass er
Aussetzer hat. Da ist fast kein Saft mehr drin und außerdem ist es veraltet.
Wann hat er denn sein letztes Service gehabt? Und warum haben sie ihm da kein
neueres Modell eingesetzt? Na dann schau´n wir mal, ob wir was Feines haben für
unseren alten Haudegen hier.“ Angestrengt kramt der junge Mann in der Tasche
seines blütenweißen Labormantels und wird schließlich fündig. Wie ein Schulkind
beim ersten Schreibversuch schaut ein Stückchen seiner Zunge aus dem Mundwinkel,
als er eine Art Chip von der Größe einer sorgsam gezüchteten Erbse unter die
Wirbelsäule in Friedrichs Nacken schiebt und mit einer raschen Handbewegung
einrasten lässt. Zufrieden streift er die Einweghandschuhe ab und wirft sie
achtlos zu Boden. Auf dem kleinen Bildschirm, der an seinem linken Handgelenk
fixiert ist, geht mittlerweile die Post ab. Unaufhörlich blinkt, piepst und
summt es. Konzentriert hält der Techniker es ganz nahe an Friedrichs Hinterkopf
und lässt andächtig seiner Finger drauf herumtanzen. Als würde er eine Melodie
spielen, die nur er hören kann. Den Schlussakkord setzte er, indem er den
Daumen seiner rechten Hand auf die Oberfläche presst. Mit einem kurzen
Aufleuchten und einem leisen Surren registriert und akzeptiert das Programm den
Fingerabdruck.
    „Update
abgeschlossen. Er ist vollständig mit Ihrem neuen AO-Pad vernetzt. Abgesehen
von der lädierten Karosserie ist Ihr Alter so gut wie neu“, erklärt der junge
Mann und eilt einem Kollegen zu Hilfe, dessen Gummihandschuh sich in der
Wirbelsäule eines AOs verfangen hat.
    Ein scharfes Zucken durchfährt Friedrich und reißt
ihn beinahe vom Sessel. Instinktiv greift Johann an seine Hüfte. Aber die
Pistole hat man ihm wie allen anderen am Eingang abgenommen. Sie ist auch gar
nicht nötig. Bis an die Zähne bewaffnete Beamte der AFFE, lückenlose
Videoüberwachung und das eigens entwickelte Schockgefriersystem machen diesen
Ort zum sichersten in Österreich. Zumindest was die Bedrohung durch wild
gewordene Topmanager betrifft.
    Aber Friedrichs Bewegung ist ohnehin nur
unwillkürliche Reaktion auf die Reaktivierung des Implantats gewesen. Beinahe
zärtlich schiebt Johann den Hautlappen wieder in seine ursprüngliche Position
und versiegelt den Schnitt mit einer großzügigen Portion Superkleber. Es wird noch
eine Weile dauern, bis Gross hochgefahren ist und im Standardmodus läuft.
    Schmid nutzt die
Wartezeit, um sich sein neues AO-Pad anzusehen, das der Techniker ihm im Tausch
gegen sein altes gegeben hat. Kleiner ist es. Und in einem eleganten
anthrazit-grau gehalten. Und es hat erweiterte Menüpunkte. Die Steuerung ist
jetzt noch besser mit Friedrichs Gehirn vernetzt und macht ihn somit auf sehr
unkomplizierte Weise lenkbar. Was immer man eingibt, setzt der AO in die Tat
um. Aber Schmid hat weder vor, Gross Polka tanzen zu sehen, noch möchte er ihn
übermäßig oft gegen eine Wand laufen lassen. Johann will das Gerät abschalten,
zieht aber im letzten Moment seinen Finger zurück. Jetzt versteht er, dass
„vollständige Vernetzung“ sehr wörtlich zu nehmen ist. Dass jede angewählte
Menüfunktion eine unmittelbare körperliche Reaktion zur Folge hat. Dass alle
AOs spätestens jetzt ihren Sekundanten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert
sind.
    Friedrich mag ja manchmal schwierig sein. Mit
Körperhygiene hat er auch schon länger nichts mehr am Hut. Und er steht
eindeutig auf der dunklen Seite der Macht. Aber das hier hat er nicht verdient:
Auf dem Gerät gibt es den Menüpunkt „Herunterfahren“ nicht mehr. Er heißt jetzt
„Hirntot“. Das ist für Normalsterbliche ein wenig erstrebenswerter Zustand. Für
einen AO ist es vor allem ein sehr endgültiger.
    Johann hat sich noch nie darüber Gedanken gemacht,
dass das Leben eines anderen in seinen Händen liegt. Nun liegt zwischen Sein
und Nichtsein das Zucken eines einzigen Fingers. Schmid könnte mit einer
winzigen Bewegung einen Menschen, seine Familie und das österreichische
Finanzwesen in tiefste Dunkelheit stürzen. Nur zwei der drei Genannten würden
sich nach angemessener Zeit davon erholen. Es ist doch nur eine Frage der Zeit,
bis einer der Sekundanten diese Funktion mal zufällig oder unbedacht wählt.
Können die nicht so was wie eine Kindersicherung einbauen?
    Um sich abzulenken, sieht sich Johann ein wenig um.
Im ganzen Saal spielt sich das gleiche Theater ab: Das Wartungspersonal schnippelt
die Köpfe der

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