Totsein ist Talentsache (German Edition)
gewordene Version eines
Wattebällchens. Anna sorgt mit einigen Spritzern vom orange-roten
Desinfektionsmittel für etwas mehr Glaubwürdigkeit. Dass Max anders ist, kann
man nun nicht mehr erkennen. Und wer hält auf einem Krankenhausgelände schon
einen Arzt, seinen Patienten und dessen ehrwürdige Pflegerin auf?
Frauen sind
seltsame Wesen. Stetig fordern sie, dass der Mann an ihrer Seite ehrbar,
geistreich und heldenhaft und ihnen daher Begleiter, Berater und Beschützer
ist. Aber wenn es drauf ankommt, sind sie lieber allein, wissen alles besser
und Recht machen kann man es ihnen sowieso nicht. Bernd hat das im Laufe seines
Lebens verinnerlicht und hört deshalb gar nicht erst hin, als Anna sich in
endlosen Tiraden darüber auslässt, dass sie eine geistliche Schwester spielen
muss, während er den Gott in Weiß geben darf. Dass ihnen diese Rollenverteilung
den Hals retten könnte, sollten sie erwischt werden, kommt Anna nicht in den
Sinn. Man kann schließlich nicht an alles denken.
Dafür, dass vermutlich das Leben zweier Freunde auf
dem Spiel steht, gehen Anna und Bernd ziemlich planlos vor. Gut, sie wissen
nicht, wo und wie sie suchen sollen, da ihnen sowohl der in diesen Fällen
durchaus praktikable Lageplan mit einem fetten „X“ in der Mitte, als auch
jegliche Erfahrung im Umgang mit Entführungen durch Staatsbeamte fehlt. Also
zieht das Trio erst mal los und inspiziert jeden Pavillon auf seine kombinierte
Tauglichkeit als Geisellager und Gehirnwaschanlage. Das ist an sich schon nicht
so einfach, wie man glauben möchte. Wenn man dabei auch noch auffällt wie ein
bunter Hund, steigt der Spannungsfaktor exponentiell. Denn die Idee zur
Maskerade ist zwar brillant ersonnen, offenbart in der Umsetzung jedoch Mängel.
Bernds Mantel
ist erstens zu klein und zweitens der einer Ärztin. Immerhin schmeichelt der
taillierte Schnitt seiner Figur, gibt aber auch den Blick auf ein violettes
Leibchen frei, das die Aufschrift „Küchenfee – Mixen ist männlich“ trägt. Dafür
muss die Nonne, die ihre heilige Pflicht an den Waldviertler Patienten jetzt
wahrscheinlich in Zivil tut, eine außerordentlich starke Persönlichkeit gewesen
sein. Die Tracht ist so weit, dass Anna darin zelten könnte. Sie hat aber kaum
Gelegenheit, über diese modische Unzulänglichkeit zu jammern, da ihr das
Häubchen konsequent über die Augen rutscht und sie ständig irgendwo dagegen
läuft. Und Max ist sowieso ein Fall für sich. Allerdings wirkt er durch seine
unsicheren Bewegungen und die dramatische Ausstattung noch am authentischsten.
Bis auf die noch immer nicht zugängliche Kirche
durchforsten Anna, Bernd und Max jedes einzelne Gebäude. Stockwerk um Stockwerk
klappern sie auf der Suche nach illegalen Aktivitäten oder geheimen Laboren ab.
Sie befragen Patienten über seltsame Vorgänge und lauschen an Wänden nach
Hilfeschreien. Aber sie finden nichts. Gar nichts. Nicht einmal einen falsch
diagnostizierten Heuschnupfen.
Zu ihrer eigenen Überraschung scheint der seltsame
Auftritt der drei niemanden zu irritieren. Dabei hat sich Bernd so schöne
Erklärungen für ihr seltsames Verhalten zurechtgelegt. Anna wäre im Fall der
Fälle in ein spontan erfundenes, aber äußerst inniges Gebet an die
Schutzpatronin der Bibliothekare versunken. Und Max hat gedanklich an einem
glaubwürdigen Herzstillstand sowie einer Jodeleinlage gearbeitet – je nach
Bedarf. Aber viele Patienten sind mit Leid und Selbstmitleid beschäftigt.
Manche wiederum freuen sich über die Abwechslung, die das skurille Trio in den
trostlosen Krankenhausalltag bringt. Anders das Pflegepersonal, das in seiner
Routine aufgeht und höchstens bei der Dosierung der Abführmittel ein wenig über
die Stränge schlägt. Und die Ärzte fachsimpeln lieber über die optimale
Körbchengröße einer diplomierten Krankenschwester.
Kaum jemand nimmt den fast zwei Meter großen Arzt,
der offenbar in einer Identitätskrise hinsichtlich seiner Geschlechtlichkeit
steckt, die leise vor sich hin schimpfende geistliche Schwester und die
wandelnde Häufchenwolke wirklich zu Kenntnis.
Würde irgendjemand genauer hingesehen, würde ihm
auffallen, dass der junge Arzt vorzugsweise mit nicht tragenden Mauern spricht,
während er seine fromme Begleiterin zärtlich an der Hand hält. Er würde auch
sehen, dass die knallrot lackierten Zehennägel der Nonne vorwitzig aus
sündteuren Rauledersandalen hervorlugen. Und er würde mitbekommen, dass der
offenkundig schwer verletzte Patient, wenn
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