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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Lukasstraße die Augen schloss und mit geöffnetem Mund die kalte Nachtluft einatmete. Er hörte sein Schnaufen und schämte sich dafür.
    Mit behutsamen Schritten kehrte er zu Linda Thalheim zurück.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er.
    »Schon in Ordnung. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Nein.«
    Sie wandte sich um. Er folgte ihr in den Hausflur. Sie schloss die Tür hinter ihm. Vom Flur führte eine Treppe in den ersten Stock. Die Tür zur Parterrewohnung stand offen. Die Tür zum Keller, an der ein Poster mit einem futuristisch gekleideten Ritter hing, war geschlossen. Auf dem Poster las Fischer: Hier kommst du nicht rein!
    »Wann haben Sie Ihren Sohn heute gesehen?«
    »Heut früh. Was ist mit ihm?« Linda wartete, bis Fischer an ihr vorbei in die Wohnung ging.
    »Wissen Sie, wo er jetzt ist?«
    »Ja«, sagte sie. »Unten im Keller, er bastelt am Computer seine Filme zusammen. Hat er was angestellt?«
    »Ist er allein im Keller?«
    »Vermutlich.« Sie schloss die Wohnungstür, streifte ihre braunen Filzpantoffeln ab und lief barfuß über den Teppich. »Marcel war mal kurz in der Küche und hat zwei Flaschen Malzbier geholt, von einem Besuch hat er nichts gesagt. Ich dacht, es geht um die kleine Scarlett.«
    »Um die geht es auch.«
    »Wieso auch?«
    »Ich habe sehr großen Durst«, sagte Fischer unvermittelt.
    »Das seh ich«, sagte Linda. »Ihre Lippen sind schon ganz ausgedörrt. Setzen Sie sich irgendwohin.«
    »Stört es Sie, wenn ich ein wenig auf und ab gehe?«
    »Verlaufen Sie sich nicht.«
    Linda verschwand in der Küche. Fischer machte ungelenke Schritte im Kreis. Seinen Hut hatte er vergessen abzunehmen.
    An jeder Wand des Zimmers standen Regale voller Bücher in allen Farben und Größen. In einer Ecke ein kleiner grauer Flachbildfernseher mit DVD- und Videorecorder. Neben der Tür ein breiter niedriger Glasschrank, gefüllt mit Schallplatten, darauf der Plattenspieler und die Stereoanlage. Bei der Durchreiche zur Küche ein runder Esstisch, übersät mit Prospekten und Zeitschriften. Vor einem der vier Fenster ein einfacher weißer Schreibtisch mit einem beweglichen blauen Stuhl, auf dem Tisch Notizblöcke, Farbstifte, ein Aschenbecher mit etlichen Kippen, zwei angebrochene Schachteln Zigaretten, eine Keramikschale mit Muscheln, eine andere mit Rosenblättern, ein aufgeklappter Laptop, auf dem ein bunter Bildschirmschoner flimmerte. Im Zimmer war es warm und das Licht gedämpft. Keine Fotos oder Bilder.
    Wortlos war Linda Thalheim näher gekommen. Als sie Fischer ein halb gefülltes Wasserglas und eine Flasche hinhielt, nahm er beides. Er leerte das Glas in einem Zug, schaute sich um, stellte Glas und Flasche auf den Tisch und steckte die Hände in die Anoraktaschen. Er wollte vermeiden, Spuren zu hinterlassen. Inzwischen tat er so viele kleine Dinge, die ihm nicht mehr auffielen.
    »Haben Sie auf einmal keinen Durst mehr?«
    »Doch.« Er wandte den Kopf zur Tür. Er bildete sich ein, etwas gehört zu haben.
    Lindas Blick war ernst und skeptisch.
    »Ihr Sohn hat mir einen Brief geschrieben«, sagte Fischer.
    Jetzt lächelte sie, eine Armada kleiner Falten umzingelte ihren Mund. »Mein Sohn schreibt nie Briefe, er schreibt nicht mal besonders gern E-Mails, was erstaunlich ist für einen Computersüchtling wie ihn. Wieso sollt er Ihnen einen Brief schreiben, er kennt Sie doch überhaupt nicht.«
    »Er hat an mich übers Polizeipräsidium geschrieben. Er kannte meinen Namen aus der Zeitung. Als Scarlett Peters verschwand, war ich in der Sonderkommission. Offensichtlich hatte er Vertrauen in meine Arbeit gefasst.«
    Die Skepsis in ihrem Blick verwandelte sich in einen Ausdruck fassungslosen Staunens. Ihr fragendes, ratloses »Ja« war kaum zu verstehen.
    »Er schrieb mir einen Brief, weil er nicht wusste, an wen er sich sonst in dieser Angelegenheit wenden sollte.«
    »In … welcher … Angelegenheit, Herr … Fischer?«
    »Marcel glaubt, Scarlett Peters vor zwei Wochen auf dem Marienplatz gesehen zu haben.«
    »Gehen Sie nicht weg«, sagte Linda verwirrt und huschte zum Schreibtisch. Sie zündete sich eine Zigarette an, nahm den Aschenbecher und setzte sich auf die Couch. Aus großen Augen schaute sie Fischer an. »Ich hör Ihnen zu. Marcel hat das tote Mädchen gesehen, hab ich das richtig verstanden?«
    »Er ist überzeugt, dass sie noch lebt. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Marcel hat sämtliche Berichte über den Fall gesammelt, Scarlett war eine Freundin von ihm.«
    Linda hatte den Aschenbecher auf

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