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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Um was zu tun? Auf seine Tochter zu warten? Und danach? Gegen siebzehn Uhr war er definitiv wieder vor dem Tagungshotel.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich muss in den Protokollen nachsehen, ich weiß die Zeiten nicht auswendig, ich weiß nur noch, dass er die drei Teilnehmer am Abend wieder vor der Siemens-Zentrale in München abgesetzt hat.«
    »Was Borkham in der Zwischenzeit getan hat, weißt du nicht«, sagte Liz.
    »In diesen Akten stehen lauter Lücken.«
    »Der Busfahrer hat sich vermutlich getäuscht«, sagte Liz. Sie telefonierte vom Handy aus in ihrer Wohnung, die nur etwa zwei Kilometer entfernt vom Haidenauplatz lag, wo Fischer vor einer Bushaltestelle auf und ab ging. Liz hatte ihn angerufen, weil sie ihm »etwas Merkwürdiges« mitteilen wollte. Doch dann hatte sie erst ihn erzählen lassen, und er hatte sogar den Kuchengeruch im Treppenhaus erwähnt. So unverhüllt sprechen hatte sie ihn noch nie erlebt.
    »Mir zittern schon die Arme«, sagte Fischer, »ich muss dringend was essen.«
    »Du solltest ein paar Stunden schlafen.«
    »Ich habe es versucht«, sagte er. »Was hast du für eine Neuigkeit, und wieso klingt sie merkwürdig?«
    »Es hat etwas mit dem Jungen zu tun, den du heut auf dem Marienplatz getroffen hast.«
    »Ich habe ihn nicht getroffen«, sagte Fischer. »Er ist nicht gekommen.«
    »Das ist doppelt merkwürdig. Wir haben nämlich eine Vermisstenmeldung, sie kam rein, als ich heut Mittag grad das Büro verlassen wollt. Die Eltern einer siebzehnjährigen Schülerin haben ihre Tochter als vermisst gemeldet. Sie wollt wie jeden Samstag mit einer Freundin vom Marienplatz aus zum Shoppen gehen. Die Freundin, Luisa, hat aber vergeblich gewartet. Das verschwundene Mädchen heißt Silke Heinrich, kennst du den Namen?«
    »Nein. Wo ist der Zusammenhang mit Marcel Thalheim?«
    »Luisa behauptet, ihre Freundin habe ihr von einem schwarz gekleideten, groß gewachsenen Jungen mit langen dünnen schwarzen Haaren erzählt, der sie vor einer Woche vor dem Rathaus angesprochen und behauptet hat, sie, Silke, sei ein Mädchen, das vor sechs Jahren spurlos verschwunden ist. Er erkenne sie an ihrer Narbe auf der Wange genau wieder. Silke hielt ihn für einen Spinner und ist weggegangen. Er sei ihr nachgelaufen und habe erst von ihr abgelassen, als Leute auf den zudringlichen Jungen und das Mädchen aufmerksam wurden und von ihm verlangten, sie in Ruhe zu lassen. Das hat er dann auch getan. Aber Luisa glaubt sich zu erinnern, diesen Jungen schon am Samstag vor zwei Wochen auf dem Marienplatz gesehen zu haben, und da habe er auch schon versucht, Silke anzusprechen, sei aber von einem Polizistendran gehindert worden. Luisa beobachtete die Szene, weil sie bereits auf ihre Freundin gewartet hat. Die beiden kümmerten sich nicht weiter um den Jungen. Zu diesem Zeitpunkt hielten sie ihn einfach für einen nervigen Typen, der sich für den Fasching verkleidet hat, als Grufti-Verschnitt, wie Luisa sich ausdrückte. Ihre Beschreibung des Jungen, inklusive der Ringe an seinen Fingern, passt auf Marcel Thalheim. Die Kollegen von der Vermisstenstelle wollten mit ihm sprechen, er ist nicht zu Hause, seine Mutter weiß nicht, wo er sich aufhält. Angeblich ist er auf Motivsuche für einen Handyfilm. Jetzt verrat mir, wie soll ein Junge am helllichten Tag mitten auf dem Marienplatz ein normal gewachsenes, nicht gerade ängstliches Mädchen entführen? Unter tausend Zeugen?«
    »Wie kann am helllichten Tag ein neunjähriges Mädchen aus einem dicht bewohnten Stadtteil verschwinden?«, fragte Fischer.
    »Das ist was anderes.«
    »Wie ist es möglich, am helllichten Tag unbemerkt ihre Leiche zu beseitigen?«
    »Der Junge hat das Mädchen nicht entführt«, sagte Liz. »Sie muss freiwillig mit ihm mitgegangen sein. Falls sie überhaupt bei ihm ist.«
    »Er hat mir nichts davon gesagt, dass er das Mädchen ein zweites Mal getroffen hat.«
    »Er hat dich also angelogen«, sagte Liz.
    »Er hat mir nur einen Teil der Wahrheit erzählt.«
    »Warum hat er das getan?«
    »Er hat sich vielleicht geschämt.«
    »Wofür?«
    »Für seinen Brief und dafür, dass er mich treffen wollte, obwohl er inzwischen wusste, dass er sich getäuscht hat. Dass das Mädchen vom Marienplatz nicht Scarlett Peters ist.«
    »Was will er dann noch von ihr?«
    »Vielleicht glaubt er ihr nicht«, sagte Fischer. »Er hält an seiner Vorstellung fest.«
    »So wie du.« Liz wollte ihn nicht kränken. »Warum hat sie ihre beste Freundin nicht

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