Touched

eines anderen strömen zu lassen. Ein Beschützer dagegen gleicht eher einem Schwamm. Er oder sie nimmt den Energiestrom auf und wandelt ihn in Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit um. Wenn eine Heilerin und ein Beschützer einen Bund schließen, dann deshalb, weil er ihre spezielle Energie absorbieren kann. Ich weiß nicht genau, wie der eigentliche Akt der Verbindung ausgesehen hat, außer dass eine Menge Hitze und Schmerz damit verbunden gewesen sein muss. Unseres Wissens geschah so etwas zuletzt vor dem Krieg. Wahnsinn, was?«
    Jep, Wahnsinn. Unvermittelt drehte es mir den Magen um. Ich umklammerte den iPod fester und hielt meine Augen geschlossen.
    »Nun, es wird noch verrückter.
    Die Beschützer entdeckten den Schlüssel zur Unsterblichkeit. Wenn sie eine Heilerin töteten, dann absorbierten sie ihre Energie und wurden auf diese Weise unsterblich. Ihre Energie kurierte sie von jeglicher Krankheit, dem größten Leiden inbegriffen – dem Altern. Verstehst du, in diesem Krieg ging es nie wirklich um Geld. Oh ja, die Beschützer waren auch gierig, aber eigentlich waren sie auf ewige Jugend aus.«
    Ich atmete schneller. Ich wusste es. Ich wusste, was kam. In Annas Stimme schwang große Genugtuung mit.
    »Aber nichts ist umsonst. Ja, die Beschützer bekamen ihre Unsterblichkeit, aber die hatte ihren Preis. Wenn sie einer Heilerin die Energie raubten, trat etwas ein, womit sie nicht gerechnet hatten: Die Energiewelle bewirkte in ihrem System einen Kurzschluss, und die Beschützer verloren einen Großteil ihrer Sinne. Tastsinn, Geschmackssinn, Geruchssinn – alles im Handumdrehen weg.
    Kannst du dir das vorstellen, ewig zu leben und niemals die Berührung eines anderen zu spüren?«
    Natürlich nicht, aber ich kannte jemanden, der es konnte.
    »Was für eine Ironie, nicht? Die Beschützer hatten die Hölle auf Erden, die sie selbst geschaffen haben, und die Heilerinnen sind die Einzigen, die ihnen helfen können.«
    Anna lachte, und ich verstand. Die Beschützer hatten ihre Mutter umgebracht. Sie empfand kein Mitleid für sie.
    »Seitdem die Beschützer gemerkt haben, was sie angerichtet hatten, sind sie auf der Jagd nach den wenigen Heilerinnen, die es noch gibt. Die Heilerinnen, die gefangen werden, erleiden alle dasselbe Schicksal: den Tod. Es ist deine Energie, versteht du? Sie gleicht der Bestrahlung für Krebspatienten: Eine volle Dosis tötet, wohingegen eine kleine Dosis therapeutische Wirkung hat. Dadurch fühlen sie sich wieder lebendig. Sie lassen sich Zeit, die Energie zu entziehen, halten eine Heilerin wie ein Haustier, um immer ein bisschen was zu fühlen, bis sie nichts mehr hergibt. Und stirbt. Die wiedergewonnenen Empfindungen halten allerdings nie lange an, weshalb sich die Beschützer immer wieder auf die Jagd nach neuen Heilerinnen machen müssen.
    Doch vor einiger Zeit haben wir eine eigene Entdeckung gemacht. Noch ein Grund, wieso ich dich all die Jahre versteckt gehalten habe. Du bist nicht wie andere Heilerinnen. Oh, Remy, du besitzt die Gabe, sie wieder sterblich zu machen.«
    Anna redete weiter, aber ich nahm nichts mehr auf. Das Puzzle, an dem ich mir die letzten Wochen über die Zähne ausgebissen hatte, war ohne alle Teile nicht zu lösen gewesen.
    Asher.
    Als ich ihn geheilt hatte, hatte ich gemerkt, dass er innerlich völlig anders funktionierte. Wo niemand sonst imstande gewesen wäre, in einem solchen Tempo und mit derart erstaunlichen Reflexen zu reagieren, hatte Asher diesen Jungen davor bewahrt, im Feuer zu landen. Kraftvoller als jeder, den ich kannte, hatte er sowohl mich als auch Brandon aus dem Becken gezogen, und er hatte mich getragen, als sei ich federleicht, wohingegen mein Vater damit so seine Mühen gehabt hatte.
    Asher wusste über mich Bescheid, weil ich nicht die erste Heilerin war, der er begegnet war.
    Und wie er selbst zugegeben hatte, konnte er – außer in meiner Nähe – nichts empfinden. Er spürte Schmerz. Wenn meine Energie wie eine Bestrahlung wirkte, dann war ich für ihn Gift, wenn unsere Mauern unten waren.
    Er hatte es wirklich so gemeint, als er mir erklärt hatte, wir seien Feinde. Er war ein Beschützer, und ich war eine Heilerin. Seine Artgenossen brachten meine Artgenossen seit über einem Jahrhundert um. Er war ein Unsterblicher, was Anna zufolge nur möglich war, wenn er eine Heilerin auf dem Gewissen hatte.
    Ich erschauerte und konnte nicht länger sitzen. Ich stand auf und ging nervös an dem beschlagenen Fenster auf und ab.
    Mehrere Dinge